Eine für den normalen Düsseldorfer doch sehr unbekannte Region, die Mongolei

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Interview des vm2000.net mit Jörg Boström

 

Beuys beschäftigte sich in seinen Performances auch mit Schamanismus und Magie, war er ein Schamane, oder doch mehr ein Künstler?

Beuys war mit Sicherheit ein Künstler. Zu den Themen, die er hatte, gehören solche geheimnisvollen Dinge, wie Schamanismus und Magie. Aber er hat das als Künstler bearbeitet, und daraus immer neue Ideen und Installationen gemacht.

Beuys hatte aber jedenfalls, auch durch das Interesse für die Anthroposophie, einen Hang zum Übernatürlichen?

Den Hang hatte er sicherlich. Er hat die Kunst immer weiter in die geheimnisvolle Region erweitert. Insofern hatte er auch Interesse an Anthroposophie.

Er hat Tafeln gemacht, die Ähnlichkeit haben mit Tafelbildern von Rudolf Steiner, von denen auch noch welche erhalten sind, soweit ich weiß.

Ja, ich denke, dass Beuys auch Sympathie für Rudolf Steiner hatte, und dass ihn das interessierte.

Glaubst Du, dass Beuys mit Fett und Filz von Krimtataren gerettet wurde?

Naja, davon erzählt er, und das ist ja auch eine Legende. Ich denke, was Beuys getrieben hat, war eine Menge von Phantasie und Realität, eine feine Vermischung von beiden. Und insofern kann man kaum etwas, was er sagt oder tut, ganz in die Realität und ganz in die Phantasie geben. Das ist immer ein Wechselspiel zwischen Phantasie und Realität.

Du warst bei der Aktion “Manresa” selbst anwesend, hast Du die Performance als magisch erlebt?

Naja, sie war in der Galerie von Schmela, das war ein kleiner Galerieraum der sehr viel Aktuelles brachte, und damit eben auch Aktionen von Beuys. Die Galerie brachte auch Manresa, und da war ich anwesend, und wie Du weißt, es gibt ja auch ein Foto von mir, wie ich fotografiere, ich habe auch da Manresa die Aktion sehr gerne fotografiert. Erlebt habe ich sie nicht als magisch, weil ich selber nicht dazu neige, sondern als Kunst.

 

Vorbereitung in der Galerie Schmela, Foto: Jörg Boström
Siehe auch: Virtuelles Magazin 2000 – Ausgabe 4/2000: Zeitsprung Szene 70

Du selbst bist auf einem Buchumschlag abgebildet, der Fotograf Walter Vogel hat Dich da fotografiert.

Ja, da war ich dabei zu fotografieren, und wurde von Herrn Vogel fotografiert.

Das ist auf jeden Fall ein magischer Moment in Sachen Schuss und Gegenschuss, und schon alleine dadurch, würde ich sagen, hat die Performance zu einem besonderen Moment geführt auch wenn nicht unbedingt Wasser in Wein verwandelt wurde.

Naja, man kann, wenn man mit Beuys denkt, magisch denken, ich selber bin ein Realist, wie Du weißt. Alles was ich sehe, kann ich fotografieren, und was ich nicht fotografieren kann, das existiert für mich auch nicht.

Das ist interessant.

Mich freut dass Du das interessant findest. Für mich ist die Kamera ein Gerät das Realität festhält in Bildern, und was die Kamera nicht festhalten kann, das ist für mich als Fotograf auch nicht Realität und nicht vorhanden.

Aber was die Kamera festhalten kann, ist für Dich vorhanden?

Ja.

Dann ist für Dich sicher auch auch die Aura, die durch die Kirlian Fotografie festgehalten wird, vorhanden.

Das habe ich jetzt nicht verstanden.

Durch die Kirlian Fotografie, die in der Sowjetunion entwickelt worden ist, wird eine Art elektrisches Feld ins Bild gebracht, auch der menschliche Körper hat elektrische Feldstärken und Entladungen.

Ja, wenn man das darstellen kann, dann ist es ja auch vorhanden.

Mit Hilfe dieser Fotografie wurden z.B. Strahlen aus menschlichen Fingerspitzen untersucht, und versucht, zu dokumentieren, ob die bei Heilern, die durch Handauflegen heilen, besonders ausgeprägt sind.

Das kann ich nicht beurteilen.

Das kann ich auch nicht beurteilen, ich weiß nicht ob diese Fotografie zu Ergebnissen geführt hat die man als wissenschaftlich relevant bezeichnen würde, aber auf jeden Fall hat sie zu sichtbaren Ergebnissen geführt.

Ja.

Beuys verbrachte ja 1974 mehrere Tage mit einem Coyoten in einer New Yorker Galerie, mit Schäferstab, der auch als Schamanenstab betrachtet werden konnte, mit Triangel als Instrument zur Geisterbeschwörung, von Beuys selbst wurde Triangel das magische Dreieck genannt. Die Aktion hat Beuys Ruf als Kunst-Schamane wohl mitbegründet, oder wurde er schon für einen Schamanen gehalten, seit der dem toten Hasen die Bilder erklärt hat?

Beuys selbe neigte dazu, den Schamanismus zu feiern und diese Schamanen Dinge als Kunst zu inszenieren. In meinen Augen war er kein Schamane, sondern ein Künstler, der sich mit diesen Dingen beschäftigte.

Beuys hatte ja eine Anhänger Schar, die ihm auch den Ruf einbrachte, sich als Messias zu betätigen.

Naja, die Schüler sind oft eher mystisch veranlagt als der Meister. Die Schüler von Beuys waren mystischer veranlagt als Beuys selber, der den Mystizismus als Kunstform in seine Arbeit einbezog.

Beuys selbst betrachtete sich demnach wohl auch sehr viel mehr als Künstler, denn als Schamane oder Messias?

Unbedingt, ja. Für ihn war diese Arbeit mit dem Schamanismus und anderen Dingen ein Gegenstand der Kunst, den er mit der Kunst untersuchte und darstellte. Er würde sich nicht, denke ich, als Schamane bezeichnen, sondern eben als Künstler.

In seiner Vorstellungswelt gibt es Eurasien oder Eurasia, das ist wohl eine Verbindung von westlichem und östlichem Denken, wenn ich das richtig verstanden habe, europäischem und asiatischem Denken. Hattest Du damals in Düsseldorf davon auch gehört?

Das war mir nicht so geläufig. Das habe ich nicht so beobachtet. Ich habe Beuys beobachtet bei seinen Aktionen, soweit er die in der Galerie Schmela für andere auch sichtbar aufgeführt hat, und ich habe Beuys auch als Professor beobachtet unter seinen Studenten, er hatte zuletzt über 90 Studenten, das wurde auch nicht geduldet von der Akademie, und die haben ihn als Professor ja auch dann rausgeschmissen. Eigenartigerweise haben sie den Professor rausgeschmissen, der eigentlich der berühmteste unter den dort agierenden Professoren war. Norbert Kricke hatte Beuys ja kritisiert, krickisiert würde ich schon beinahe sagen, und den berühmten Satz geprägt, das ist dem Beuys sein Jesus-Kitsch. Für religiöse Menschen schwer anzuhören, dass Jesus mit dem Begriff Kitsch in Verbindung gebracht wird.

Ich denke, ich verstehe, was mit dem Jesus-Kitsch gemeint sein könnte.

Naja, mystische Dinge. Jesus hat ja Wasser in Wein verwandelt, zum Beispiel.

Das sind die Wunder, an die man gerne glauben würde, wenn man sich für Schamanismus interessiert.

Ja, und dadurch eben auch für Religion. Speziell das Christentum hat ja viele, wenn man so will, schamanistische Seiten.

Das würde ich auch so sehen. Auch die Wunderheilungen, die von Jesus berichtet werden, würde ich auch als schamanistische Seite des Christentums sehen. Könnte es sein, dass sich Beuys auch als Heiler betätigen wollte, dass er durch solche Ideen wie  Eurasien, Verbindung von westlichem und östlichem Denken, heilend wirken wollte auf die menschliche Zivilisation?

Ja. Das hat ja mystische Elemente, in seinem Ursprung ist ja Jesus selber als Gottessohn eine mystische Figur, und hat als Wunderheiler auch Wunder als Beweismittel, dass er mystische Realität hatte, angebracht. Jesus selber war ja ein Schamane, wenn man so will.

Da würde ich auf jeden Fall auch Parallelen sehen.

Und insofern ist das mit der Kritik Jesus-Kitsch nicht ganz falsch, denn Jesus war sicherlich für Beuys eins seiner Vorbilder.

Manchmal ist auch in Sachen Beuys Objekte von Reliquien die Rede, wobei, manchmal auch im satirischen Sinne, z.B. gibt es ein Buch, in dem wird eine fiktive Reise beschrieben auf der Suche nach Beuys’ Absturzort auf der Krim. Und den Reisenden werden da angesengte Beuys Stiefel und andere Reliquien zum Kauf angeboten in mehreren unterschiedlichen Dörfern, so dass die Absturzstelle nicht genau zu finden ist. Da handelt es sich aber um eine fiktive Geschichte von Wladimir Kaminer die die Ereignisse etwas überspitzt satirisch aufbereitet, würde ich mal sagen. Davon hast Du wahrscheinlich auch schonmal gehört?

Ja, ich habe mich nie besonders dafür engagiert, weil diese mystische Form der Kunst, die Beuys praktizierte, für mich eben als Realist fremd war. Das heißt aber nicht, dass ich die Aktionen nicht mit meiner Kamera, wie Du weißt, gerne beobachtet habe. Und dass ich nicht begeistert davon war, dass er von der Akademie geschmissen wurde wegen seiner mystischen Aktionen. Damit haben die Professoren den berühmtesten Menschen aus ihrer Zeit als Professor entlassen. Ganz schön verrückt, ne?

Ganz schön verrückt, das stimmt. Du meinst, die Überfüllung der Akademie durch die vielen Studenten war eventuell mehr ein Vorwand, und Beuys Hang zur Mystik und zum Schamanismus war auch ein Grund, ihn zu entlassen?

Ja. Das war den Professoren damals unheimlich. Und ich war damals nicht begeistert von dieser Entlassung, ich hielt das für einen Fehler. Und es war ja damals auch real, dass Beuys und die Aktionen und die Entlassung berühmter war und stärker beachtet wurden als die Kunst, die die Professoren betrieben.

Beuys war ja auch an der Akademie sehr präsent, als er da gelehrt hat und man könnte sagen, auch wenn er viele Studenten hatte, hatte er trotzdem versucht, soweit wie möglich sich denen zu widmen.

Ja, hat er auch, der Dialog mit seinen Verehren, mit seinen Studenten war immer da. Und einer der bekanntesten Beuys Studenten war ja Johannes Stüttgen. Bis heute ist er mir im Kopf als Beuys Anhänger.

Er hat ein Buch veröffentlicht über die Zeit von Beuys, das Buch heißt “Der ganze Riemen”.

Ja, richtig.

Ich glaube, Du hast das Buch.

Ja, natürlich habe ich das Buch.
Beuys wurde auch indirekt beneidet von seinen Kollegen für seine Aufmerksamkeit, die er erregte überall, und es war wohl auch Neid einer der Gründe, weshalb sie ihn aus der Akademie herausgeschmissen haben. Sie waren einfach weniger bekannt und hatten weniger Anhänger.

Die Zeit, die Beuys in der Akademie aber auch später noch mit seinen Anhängern verbracht hat, war sicher teilweise sehr turbulent?

Ich war damals nicht mehr in der Akademie, aber lebte in Düsseldorf, und habe das teilweise mit der Kamera dokumentiert. Auch die Protestveranstaltungen, die Sitzungen der Studenten im Vorraum der Akademie, als Beuys als Professor entlassen worden war. Da haben sie sich in den Vorraum gesetzt, das habe ich fotografiert und dokumentiert, wie Du weißt.

Beuys im Gespräch mit Studenten, Foto: Jörg Boström
Siehe auch: Virtuelles Magazin 2000 – Ausgabe 4/2000: Zeitsprung Szene 70

Ich denke, das muss eine sehr ereignisreiche Zeit gewesen sein.

Das war es auch, ja. Man darf ja nicht vergessen dass es auch die 68er, eine Studenten Zeit war, Aktivität der Studenten, also nicht nur die mystischen künstlerischen Seiten, wie das was Beuys machte, sondern eben auch die politischen. Was durch Rudi Dutschke den Studenten bis heute am deutlichsten vertreten ist, Rudi Dutschke den man erschossen hat.

D.h. Beuys war eigentlich eine Ausnahmeerscheinung, und zu der Zeit interessierte man sich eigentlich in weiten Teilen der Gesellschaft nicht unbedingt für Mystik und Schamanismus, sondern Beuys war eigentlich in der Hinsicht gegen den Zeitgeist?

Ja, als ein Stück Protestierender.

Als ein Protestierender gegen, was…?

Die Regel der Akademie. Z.B. dass jedem Professor nur eine begrenzte Zahl der Studierenden zugewiesen wurde. Und zwei Atelierräume oder drei. Die Akademie wurde auch bürokratisch organisiert, und auch das hat die Studentenbewegung zum Protest veranlasst.

Ich frage mich, ob es zur Zeit von Beuys noch mehr Anhänger des Schamanismus quasi gegeben hat, oder ob er da eine Art Vorreiter war.

Nein Vorreiter war er sicherlich nicht, aber er war auch getragen von der Protestbewegung.

In seinem Falle dann Protest gegen Materialismus, könnte man sagen?

Ja, und gegen die bürokratische Organisation des Studiums. Wenn ich mich recht erinnere wurden jedem Professor 3 Atelierräume zur Verfügung gestellt, von den Akademien, und darin durfte er, soviel ich weiß, 15 Studenten betreuen, in jedem dieser Ateliers jeweils 5, die da Staffeleien und Bilder hatten. Da Beuys aber nicht mit Staffeleien und Bildern arbeitete, sondern mit Aktionen, konnte er es sich leisten, bis zu 90 Studenten bei sich aufzunehmen, was den Protest der anderen Professoren hervorrief.

Und die Bürokratie ist ein mächtiger Gegner, so wie ein mächtiger Berggeist, dem man nur mit schamanistischen Aktionen beikommen kann?

Naja.

War das schon von Anfang an so, dass Beuys immer wieder diese Materialien Fett und Filz verwendet hat?

Nein, das war aber das was sich am deutlichsten einprägte. Und die Studenten haben natürlich andere Methoden gehabt, nicht immer Fett und Filz. Das war nur durch Beuys’ Lebensgeschichte stark in Erinnerung bis heute.

Ich glaube da gibt es auch den Begriff “Eine innere Mongolei”, das war der Titel einer Ausstellung, und in diesem Fall wird wahrscheinlich nicht die geografisch innere Mongolei gemeint gewesen sein.

Jedenfalls war das eine für den normalen Düsseldorfer doch sehr unbekannte Region, die Mongolei. Schon deshalb wurde sie ganz gerne für die mystischen Kunstformen gebraucht, als Begriff.

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