Interview Teil 19 – Reisewetter

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Interview des vm2000.net mit Jörg Boström

Manche Deiner Bilder sind ja auf Reisen entstanden, wie an Bildtiteln manchmal zu erkennen, Jazz Dancing, Oxford Street, in London?

Die sind aufgrund von Reisen entstanden, unterwegs konnte ich natürlich nicht malen, ich hatte aber immer eine Kamera dabei, und meine Fotografien auch von Reisen haben immer gleichzeitig auch die Funktion von Skizzen für neue Bilder. Insofern habe ich die Bilder zuhause gemalt, aber auf der Grundlage von Fotografien von diesen Reisen. In diesem Fall Jazz Dancing, Oxford Street, das war eine Reise durch Großbritannien, durch England.

Das war wahrscheinlich eine interessante Reise?

Das war eine sicher interessante Reise, ich habe sowieso bis heute eine gewissen Zuneigung zu England, abgesehen davon dass ich diese Sprache ja kann, aber ich habe auch viel von englischer Literatur gelesen, und viel dabei über England erfahren. London ist eine der Städte, die mich wirklich fasziniert haben, wie Du ja auch von meinen Fotografien wohl weißt.

Das Bild “Schwefelregen” ist auch auf einer Reise entstanden, ist das eventuell auch in London entstanden?

Das ist in England entstanden, ja ja, wahrscheinlich wohl in London, das weiß ich nicht mehr so genau.

Der schweflige Regen würde natürlich zu dem Thema Londoner Smog passen.

Ha ha, ja. Und ist sicherlich auch in dem Zusammenhang entstanden. Ist schon länger her, ich weiß nicht mehr alles so genau, heute. Aber es ist sicher ein England Reise Ergebnis.

Hmhm. Das mit dem Smog ist zum Glück glaube ich inzwischen sehr viel besser in London, als in früheren Jahrhunderten. Da war ja London dafür berüchtigt, dass dort nebliges Wetter war.

Ja, England insgesamt ist stärker verregnet als Deutschland. Und insofern hat man da viel Erlebnisse besonders auch im Regen, wenn man sich rechtzeitig einen Schirm beschaffen und unterstellen konnte.

In späteren Jahren gab es eine Bilderserie “Schwedenregen”, da warst Du mit Kim auf Schwedentour, und da scheint es auch einige Male geregnet zu haben?

Ja, das war wohl auch der Fall. Und wir waren ja mit dem Zelt unterwegs. Und da haben wir natürlich viel im Regen gezeltet, und ich habe, um mich auf die Umwelt einzustellen, auch viel bei Regen dann in Schweden fotografiert. Damals war Kim ja noch ein Junge, und es war eine schöne Reise in unser Ahnenland. Du weißt ja, dass wir aus Schweden stammen.

Ja, genau, teils aus Schweden, und teils aus Russland, wenn ich das richtig verstanden hab. Wobei Ihr ja auch deutsche Vorfahren haben müsstet, da die Baltendeutschen ja ursprünglich nach Russland eingewandert sind.

Genau. Ja, meine Vorfahren aus Schweden sind ins Baltikum gezogen und nach Russland, und mein Vater ist ja in Wladikawkas geboren. Der ist ja geborener Russe.

Das ist richtig im tiefsten Russland, am Kaukasus.

Ja, in Wladikawkas.

Da hat es Deinen Opa dann anscheinend richtig ins tiefste Russland verschlagen. Aber es scheint ihm da auch wohl gefallen zu haben.

Das hat uns da immer wieder gefallen, und ich habe deshalb, anders als die meisten Deutschen, zu Russland eine sehr positive Einstellung. Die meisten Deutschen, durch den Krieg bedingt, sind ja eher russenfeindlich eingestellt, ich aber nicht. Die Russen waren mir näher, oder sind mir bis heute näher noch als die Amerikaner, oder die Engländer.

Ah ja, das ist erstaunlich, weil, die Engländer würde man normalerweise schon auch als kulturell sehr nahestehend betrachten. Allerdings haben die wiederum durch den Krieg bedingt eine gewisse Skepsis gegenüber Deutschen.

Ja, natürlich. Und die Russen haben, genau wie wir, oder einige von uns zu den Russen, eigentlich eine Zuneigung zu Deutschland.

Die Russen interessieren sich teilweise für die deutsche Kultur?

Ja, und umgekehrt, kann man da sagen.

Das Verhältnis zu Russland muss wahrscheinlich vor dem Krieg irgendwann besser gewesen sein.

Ja, meine Familie und ich haben die Russen ja auch als Besatzungsmacht erlebt, und ich habe sie sehr freundlich erlebt, die Russen waren zu uns Kindern sehr nett. Und ich erinnere mich sehr an die wohlschmeckenden russischen Würstchen, Bratwürstchen. Das war für uns Kinder, die wir beinahe verhungert wären, natürlich ein großartiges Geschenk. Noch wirksamer und noch interessanter als die Kaugummi-Sachen von Amerika, von den Amerikanern. Ich verbinde mit Amerika Kaugummi, und mit Russland eben Bratwurst.

Ha ha, interessant. Ich habe von meinen Großeltern gehört, dass von den Amerikanern nach dem Krieg Maismehl kam. Ich weiß nicht, ob das auf einem Missverständnis beruht, auf einem sprachlichen, wenn man den Amerikanern gesagt hat, man bräuchte Korn, und Corn ja auf amerikanisch Mais heißt.

Ja, das soll wohl ein Missverständnis gewesen sein, es war eben Mehl, und wir konnten damit ja auch was anfangen, aber es war kein Mehl, wie wir das kennen. Mais haben wir durch die Amerikaner überhaupt erst kennengelernt.

Es war wohl etwas schwierig für meine Oma, mit Maismehl die üblichen Gerichte zuzubreiten, wenn ich das richtig verstanden habe.

Ja, genau. Das weisste auch noch, ne?

Es ist trotzdem gelungen, und war anscheinend auch nahrhaft.

Den Schwedenregen habe ich ja nicht so sehr als Kind, sondern mit dem Auto erlebt. Da bin ich allerdings mit Kim durch Schweden gefahren. Und da hatten wir ein Auto und ein Zelt, und konnten eben auch den Schwedenregen ganz gut noch aushalten, das war für uns eine Tour in unsere Urheimat, nach Schweden eben, wir sind ja Schweden, die Boströms haben ja einen Schwedennamen, Boström.

Wobei, wenn ich das richtig verstanden habe, wohnen Verwandte von Dir eigentlich in Finnland?

Ja, die Verwandtschaft, die Familie wanderte über Schweden nach Finnland. Und in der Nähe von Helsinki waren sie dann auch lange Zeit zuhause. Wir haben als Jungs per Tramp auch nach Finnland Verwandte besucht, die dort immer noch wohnten, meine Patentante zum Beispiel wohnte in Finnland damals, bei Helsinki. Insofern waren wir in Finnland auch wie in einer Urheimat zuhause.

Bei dieser Finnland-Reise sind aber eventuell keine Fotos entstanden?

Ich habe damals leider viel zu wenig fotografiert. Ich kann mich da auch nicht so gut dran erinnern, aber ich habe immerhin in Finnland auch so ein Buch gemacht und aus der Peter- und Pauls-Festung, wie Du ja auch gesehen hast, ein Bild. Einige Bilder stammen aus der Erinnerung an die Finnlandreise.

Und das Bild von der Peter- und Pauls-Festung stammt ja aus Leningrad?

Ja das war ein Fahrt, die war noch organisiert von Diethard Kerbs, meinem Kollegen, er hat ja für seine Studenten organisiert, und da habe ich sehr gerne mich dran beteiligt, das war auch eine Reise in unsere Familienvergangenheit, nach Leningrad und auch nach Moskau.

Das war sicher interessant?

Ja, und wie Du richtig gesehen hast, da stammen wohl meine frühesten Schattenbilder her. Bei der Peter- und Paulsfestung an der Wand standen die russischen Frauen und Männer und sonnten sich, oder lagen da und sonnten sich, weniger um zu schwimmen, als um zu sonnen, und dort habe ich auch einige Fotos gemacht, die dann später Skizzen waren für meine Malerei.

Da sind sehr gut die Schatten zu sehen, auf dem Bild “Schattenwand”, und dann gibt es da auch noch ein Bild “Nicht fotografieren” bei dem sind auch schon einige Schatten zu sehen.

Ja, es war so, dass die Russen nicht sehr begeistert waren vom Fotografieren, und ich war ja mit der Kamera ständig unterwegs, und die haben mich auch zum Teil mit so Gebärden darauf aufmerksam gemacht, mein Gesicht bitte nicht fotografieren. Und das habe ich ja auch zum Thema gemacht einer Fotografie, und später einer Malerei.

Die waren kamerascheu, weil sie immer Angst hatten, dass da Spionage betrieben wird oder sowas?

Ja, wahrscheinlich, aber ich glaube das ist nicht mehr der Grund, sondern das ist mehr der Sinn für persönliche Geschütztheit. Man wollte nicht unbedingt fotografiert werden. Ist ja auch nicht in Deutschland überall so beliebt.

Nicht überall, aber eigentlich doch relativ üblich, dass auf Straßen auch mal fotografiert wird.

Mal erlebt schonmal, dass Familien auch abwinken und sagen “Hau ab, nicht fotografieren”, das machen auch Deutsche.

Das kann schon sein, z.B. wenn sie beim Camping am Tisch sitzen und haben nur Shorts an.
Manche Deiner Landschaftsbilder lassen vermuten, dass sie unterwegs einen Blick darstellen aus dem Fenster des Zuges?

Einige Landschaftsbilder sind tatsächlich aus dem Zug gemacht worden, weil, wir sind ja mit dem Zug auch nach Russland gefahren, insofern wollte ich von den Landschaften Einiges festhalten, und da habe ich aus dem Zugfenster auch Einiges an Landschaften fotografiert.

Also die Reise nach Vilnius und St. Petersburg, habt Ihr die mit Zügen gemacht?

Ja, ich denke schon.

Da ist man aber noch nicht auf der transsibirischen Eisenbahn, oder doch? Die fällt mir gerade jetzt nur ein, weil es ja eine sehr bekannte Eisenbahn ist.

Ich weiß es nicht mehr. Organisiert hat die Reise ja Diethard Kerbs, mit seinen Studenten, und wir sind da mitgefahren. Nein, das war nicht die transsibirische Eisenbahn, das war die ganz normal Bahn Berlin – Moskau. Aber das war auch eine berühmte Strecke, Berlin – Moskau, Moskau – Berlin.

Ja, und ich denke da kann man direkt auch umsteigen in die transsibirische Eisenbahn, also, könnte man.

Wirklich, das weiß ich nicht. Musst Du mal wieder googeln, ob Du das herauskriegst.

Ich nehme an dass man in Moskau dann umsteigen könnte in die transsibirische, allerdings ist man aus Berlin nach Moskau ja dann sowieso schon eine ganze Weile unterwegs gewesen.

Aber ja, das ist schon eine ziemliche Strecke. Und für mich ist natürlich Moskau, und Russland überhaupt, als meine Heimatstadt, Familienstadt, weil meine Familie ja daher stammt, von großem Interesse gewesen.

Ich denke, wahrscheinlich Petersburg mehr als Moskau?

Ja, Petersburg mehr als Moskau, und, wie gesagt, mein Vater ist ja in Wladikawkas geboren, das ist Südrussland.

Das ist auch erstaunlich, dass sie dann vom Norden so weit in den Süden geraten sind. Aber das hing wahrscheinlich mit dem Projekt mit der Augenklinik zusammen?

Genau, an die Augenklinik kannst Du Dich auch erinnern, das habe ich Dir ja schonmal erzählt.

Ja, da kann ich mich erinnern an Fotos.

Ja, genau, die Fotos kannste ja dann auch zu diesem Gespräch hinzufügen.

 

Fensterputzerinnen am Glasdach des Berliner Bahnhofsgebäudes, die sind wohl auch entstanden bei der An- oder Abreise mit einem Zug?

Auf jeden Fall bin ich ja von Berlin aus in verschiedene Richtungen auch gefahren, und das war faszinierend für mich als Fotograf, diese Frauen und Männer hoch im Himmel zu sehen im Berliner Bahnhof, das war schon faszinierend, und deshalb habe ich die ja auch fotografiert, und die sind ja auch teilweise in meine Malerei übergegangen. Du wirst ja Malerei auch finden, mit den Fensterputzerinnen.

Drei Deiner Bilder haben mit einem Wagner-Museum oder einer Wagner Aufführung zu tun, dort warst Du vermutlich auch auf Reisen, mit einer Reisegruppe?

Ja, es gibt in Minden einen Wagner-Verband, und der hat organisierte Reisen, von einer sehr engagierten Frau geleitet, an denen wir sehr gerne uns beteiligt haben, und dadurch kamen wir auch in die Wagner Stadt Bayreuth. Da habe ich auch Einiges fotografiert, und das wurde dann auch zum Teil in einer Bilderfolge verwandelt. Eine Wagner-Aufführung haben wir dort auch gesehen, ich glaube, es war Lohengrin.
Dann wurden auch gelegentliche Ausstellungen organisiert, mit Material aus den Opern von Richard Wagner.

Einige Bilder zeigen das Donau-Delta, da warst Du auf Reisen bei der Familie der Schwiegertochter? Da scheint meist sonniges Wetter gewesen zu sein?

Ja, da haben wir jedenfalls die damaligen Schwiegereltern besucht. Das war eine wunderschöne, interessante Reise. Ich kann Dir auch ein paar Fotos schicken.

Wir haben auch einige davon im Magazin, weil Ihr einen Artikel, oder auch sogar zwei, darüber gemacht habt. Da sieht man auch eine Bootsfahrt.

Ich hatte auch zum Donaudelta Bilder gemalt. Da wurde auch eine Bootsfahrt organisiert, und da habe ich einige Fotos dazu gemacht, und auch Malerei.

Und dann sieht man Dich hier entweder beim Lesen oder beim Zeichnen, das kann ich nicht genau erkennen.

Das ist beim Zeichnen.

Da sitzt Du auf einem Baum.

Ja genau. Das war bei der Rumänien-Fahrt.

Norderney, taucht natürlich auch mehrmals auf in Deinen Bildern, da verbringst Du ja den Sommerurlaub, es scheint dort erwartungsgmäß oft windig zu sein?

Ja, wir haben bis heute den Sommerurlaub manchmal 14 Tage, manchmal drei Wochen, auf Norderney verbracht, das machen wir dieses Jahr wieder, so dass da schon eine ganze Menge Bildmaterial auch zusammengekommen ist, und Norderney ist eben sozusagen für uns auch ein interessanter Ort. Und das habe ich natürlich überall, wo ich in Urlaub bin und zeichne, habe ich auch immer sehr viele Fotos gemacht, die sich dann irgendwann auch in Bilder verwandeln.
Da stammt auch das Sandsturm Bild her, zwischen den Strandkörben.

Da sieht man den Wind sehr deutlich, auf dem Bild, aber auf anderen Bildern sieht man ihn auch.

Ja, das war immer so ein Thema, was mich immer wieder begleitete, ich mal ja aufgrund meiner Erfahrungen in meinem Leben. Meine Malerei hat mit meinem Leben zu tun, ist eine Antwort auf mein Leben, ich lebe als Maler, und ich male als Lebender. Und das ist nie in dem Sinne abstrakt, dass die Bilder selbstständig sind, sondern sie sind immer abhängig und werden angeregt durch meine Wirklichkeit.

Das Bild scheint aber nicht nur das Wetter abzubilden, sondern man könnte sagen, es bildet auch jemanden ab, dem gerade der Wind ins Gesicht bläst, und dessen Gesichtsausdruck dabei.

Ja, das Leben selber bläst mir ins Gesicht. Das will ich ungefähr auch mit dem Bild zum Ausdruck bringen.

So hatte ich das auch verstanden, ungefähr.

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