Interview Teil 5 – Ahnenforschung

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Interview des vm2000.net mit Jörg Boström


Deine Vorfahren waren ja Deutsch-Balten, und Du hast auch mal bei einer Reise mit Studenten fotografiert in Riga, Vilnius und St.Petersburg. Könnte man daher sagen, dass auch Ahnenforschung in Deine künstlerische Arbeit einfließt?

Das würde ich eigentlich weniger sagen, das ist wohl nicht passiert. Wenigstens kann ich mich jetzt im Augenblick nicht erinnern, dass ich ein paar Bilder von meinen Ahnen gemalt hätte. Ich habe sie ja fotografisch gesammelt, und auch ein Erinnerungsbuch gemacht, ein Erinnerungsbuch an meinen Vater und mein Mutter.

Du hast auch mal Deine Eltern gemalt?

Ja, das habe ich gemacht. Und mein Vater hat auch künstlerische Arbeiten gemacht, der hat modelliert, Plastiken gemacht. Das war so seine Begeisterung neben seinem Beruf als Ingenieur. Und deshalb hat er meine Kunst auch als Privatvergnügen betrachtet, was mich ein bisschen gereizt hatte weil es bei mir nicht das Privatvergnügen, sondern meine Hauptsache war, mein Lebenssinn, so habe ich das aufgefasst.
Und ich habe ja aus meiner Kunst meinen Beruf gemacht, wie Du weißt. Ohne meine Kunst hätte ich ja diesen Beruf ja garnicht ergreifen können, als Kunsterzieher, und auch nicht als Professor für Kunst.

Also ich denke Du hast in der Familie schon künstlerische Anregungen erfahren, aber es hatte nicht unbedingt jemand damit gerechnet, dass Du das zu Deinem Beruf machen würdest.

Nein, die Anregung kam mehr auch mit von meinem Vater, der mich aber gleichzeitig auch versuchte zu bremsen, dass ich daraus nicht einen Beruf mache, habe ich aber trotzdem gemacht.

Also er wollte einerseits Deine Begeisterung für Kunst wecken, aber andererseits hielt er es für gefährlich, sich damit beruflich zu beschäftigen?

Ja, genau, da dachte er, es wird mein Ruin, und er hat mich auch gewissermaßen veranlasst, Kunsterzieher zu studieren, weil er sagte, wenn Du nur Kunst studierst, dann bezahle ich Dich nicht. Und da habe ich dann notgedrungen Kunsterzieher und Kunst gleichzeitig gemacht. Das war an der Düsseldorfer Kunstakademie.
Da bin ich zu dem Professor, Bruno Goller, gegangen, der damals der einzige gegenständliche Professor war, damals war abstrakt angesagt, und der Gegenstand, so hieß es, war nicht mehr tragfähig. Ich bin aber immer ein gegenständlicher Künstler gewesen, der von den Augen über die Fotografie in die Malerei geht, und immer Sichtbares darstellte, bis auf wenige Ausnahmen. Ich habe auch einige abstrakte Bilder gemalt.

Gab es auch andere Familienmitglieder mit künstlerischen Neigungen?

Ich kenne sonst aus meiner Familie keine, außer meinem Vater, mit künstlerischen Neigungen. Kann ich mich im Moment nicht erinnern, und ich glaube da war auch kein Künstler in unserer Familie.

D.h, Deinen Opa würdest Du nicht als Künstler bezeichnen? Der war ja Augenarzt in Wladikawkas und Stawropol.

Ja, der war Augenarzt, und der war Abenteurer. Der zog ja durch die Steppe mit seiner Augenkorrektur. Er hat Steppenvölker kuriert, und ist mit einem Pferdewagen, kann man sagen, durch die Steppe gezogen, und hat da die Steppenvölker, soweit sie Probleme mit den Augen hatten, behandelt. Gleichzeitig hat er dabei als Anregung durch die Steppenarbeit auch in Wladikawkas eine Augenklinik gegründet, und in Wladikawkas ist dann schließlich mein Vater geboren, der stammte aus Russland, ne.
Damals war eben Russland für uns auch eine Familienheimat. Bis heute denke ich anders über Russen als die meisten meiner Freunde. Ich habe eine freundschaftliche Beziehung, immer noch, zu Russland, aufgrund meiner Famile, aufgrund meiner Erinnerung. Mein Vater sprach auch fließend Russisch, ne, der ist ja in Wladikawkas geboren und hat als Kind schon Russisch gelernt.

Und seine Vorfahren stammten aus dem Baltikum?

Ja, aus sehr unterschiedlichen Richtungen. Die sind aus Schweden über Finnland ins Baltikum gewandert, und dort haben sie dann eine zeitlang gewohnt. Und dann gingen sie nach und nach, einige davon, nach Berlin. Und dort haben sich mein Eltern dann getroffen und verheiratet. So dass das Baltikum und Schweden gewissermaßen meine Urprungsländer sind.

Verstehe. Und Dein Opa ist in Wladikawkas geblieben, oder auch nach Berlin ausgewandert?

Nein, der ist auch nach Berlin dann ausgewandert. Der Grund war die Revolution in Russland, das war denen zu unheimlich. Der Zar wurde ja interniert, und als das Zarensystem in Russland zusammenbrach, und sagen wir mal diese Revolution dort stattfand, die sehr gefährlich war, da sind meine Verwandten auch nach Berlin aus Russland geflüchtet, so dass wir also als Familie, von Schweden über Finnland nach Russland, und dann wieder in Berlin zusammen kamen. Meine Eltern haben sich zu meinem Glück, sonst gäbe es mich ja garnicht, in Berlin kennengelernt und dort auch geheiratet.
Meine Oma mütterlicherseits ist auch in Russland geboren, Petersburg. Petersburg einerseits, und Wladikawkas andererseits, sind so die beiden russischen Städte, die unsere Familie zusammengeführt haben.

Es scheint, dass diese Fotos mit Kameras gemacht wurden, die auf einem Pferdewagen transportiert wurden. Solche historischen Fotos sind interessant, war Dein Opa demnach auch ein bisschen ein Fotograf und Künstler?

Die Fotos sind mit solchen Plattenkameras, großformatigen 6×9 Kameras gemacht, diese Kameras waren auf einem Stativ, und dann eben benutzt für sehr schöne Standbilder, sozusagen, weil man damit keine Momentaufnahmen machen konnte.

Stimmt, solche historischen Fotos brauchten ja manchmal auch mehrere Sekunden Belichtungszeit.

Mein Großvater hat sich auch mit der Fotografie beschäftigt, das muss wohl so ein, sonst hätte ich diese ganzen Familienbilder ja garnicht.

Kennst Du die russische Kultur ein bisschen?

An die russiche Kultur, durch die Erzählungen meines Vaters, durch die Literatur, durch die Bücher, die er hatte, hatte ich natürlich einiges kennengelernt, Dostojewski z.B. ist mir vertraut. Maxim Gorkij, Vladimir Nabokov, Michail Soschtschenko, Lew Nikolajewitsch Graf Tolstoi, Anton Pawlowitsch Tschechow, Iwan Turgenew. Insofern kenne ich von der russischen Kultur Einiges, eben wie gesagt durch Fotografie aber auch durch Bücher. Mein Vater hatte viele Bücher aus Russland, und er hat viel russische Literatur auch gelesen, und die konnte ich dann auch bei ihm dann lesen. Insofern kenne ich von der russischen Kultur Einiges, eben wie gesagt durch Fotografie aber auch durch Bücher. Mein Vater hatte viele Bücher aus Russland, und er hat viel russiche Literatur auch gelesen, und die konnte ich dann auch bei ihm dann lesen.

Du hast selbst kein Russisch gelernt, sondern hast die dann die auf Deutsch gelesen?

Ja, ich habe die auf Deutsch gelesen, Russisch habe ich nie gelernt.

Dann hatte Deine Familie sich in Berlin soweit schon wieder eingelebt?

Ja, ja. Es war aber so dass in Berlin viele aus Russland und aus dem Baltikum zusammenkamen. Berlin war die Stadt, die die zuerst ausgesucht hatten, und dort auch vielfach geblieben sind. Wie auch in Berlin von unserer Familie einige wohnten, meine Großmutter z.B., und ein ganze Gruppe von Familienmitgliedern wohnten in Berlin. So dass Berlin sozusagen eine meiner Kindheitsstädte ist, neben Duisburg und Düsseldorf und so weiter.

Gab es im Baltikum eventuell so etwas wie eine eigene Kultur, die weder deutsch noch russisch, sondern eigenständig war, weißt Du etwas darüber?

Ja im Baltikum, das kann ich jetzt nicht so sagen, ob es da eine eigene Kultur gab, aber es gibt Bücher die sich mit dem Baltikum beschäftigen, eins davon fällt mir ein als Titel, “Balten sind wir gewesen”.

Ach ja, das Buch kenne ich, und es ist von einem Herrn Boström.
(Siegfried Boström, Balten sind wir gewesen, Berg Türmer Verlag 1987)

In Sachen Malerei habe ich mich nicht am Baltikum orientiert, sondern eher an Düsseldorf. Ich kann mich jetzt daran nicht so erinnern, dass mich aus dem Baltikum oder aus Russland Maler beeinflusst haben.

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