TREPPEN – Rasenmäherzeichnung in Köln

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TREPPEN

Rasenmäherzeichnung im Rosenzweigpark Köln

von Ralf Witthaus

Peter Joseph Lenné, einer der größten Gartenkünstler des 19. Jahrhunderts und vielleicht sogar der Begründer der Landschaftsarchitektur in Deutschland, pflegte über den Berufsstand der Gärtner zu sagen, dass nicht der Spaten zum Bäume pflanzen das wichtigste Werkzeug ebenjener sei, sondern die Heckenschere und alles, was dazu dient, das Grün zurückzuschneiden.

Wenn man einen Garten errichtet hat, besteht der Alltag darin, die Natur in Form zu halten. Das ist der einzige Weg “die rasch voranschreitende Verholzung”, wie mancher Gartenarchitekt es nennt, zu verhindern.

Stadtgrün ist etwas anderes als Urwald. Denn Landschaftsarchitektur ist bei näherer Betrachtung funktional. Sie ist Ergebnis einer planerischen Konzeption, die – wenn sie von einem wachen Geist erschaffen worden ist – räumliche, ökologische, gesundheitliche, klimatische, ästhetische, soziale und stadtplanerische Kontexte gekonnt verbindet.

Wenn man in einer Landschaftsarchitektur nicht gärtnerisch tätig werden würde, und damit die Absicht verfolgt, dass alles so bleibt, wie es ist, dann ist man auf dem Holzweg. Die Heckenschere nicht zu benutzen garantiert die Veränderung.

Ich bin Künstler und begebe mich auf Spurensuche. Mich interessieren Bezüge, die nicht mehr sichtbar sind, aber relevant. Im Rosenzweigpark fasziniert mich die Terrassierung. Einst hat man hier Erdmaterial entnommen. Die Grube bestand bereits vor dem Park, der in den 1920er Jahren zusammen mit den umliegenden Gebäuden angelegt worden ist. Zu den Terrassen des Parks gehören Treppen. Kleine Treppen gehen auf der Westseite empor, dahinter liegt eine ganze Straßenzeile die sehr an dem Bauhausstil angelehnt ist. Besonders fällt mir die Haupttreppe in südlicher Richtung ins Auge. Die meisten Menschen benutzen sie nicht. Oder muss ich sagen: Nicht mehr? Nebenan ist nachträglich eine Rampe befestigt worden, sie könnte man auch mit Autos befahren. Die meisten Menschen laufen heutzutage diesen Weg.

Dabei ist die Haupttreppe die größte Treppe des Parks in Zollstock. Aber sie liegt im Schatten großer Bäume, Laub sammelt sich hier. Neben ihrer Massivität fällt auf, dass sie nicht mittig auf die große Rasenfläche führt. Auch ist sie nicht in direkter Fortsetzung zu der oberen Strasse, sie leitet vielmehr vom heutigen Parkplatz der evangelischen Kirche herunter, die sich auf der rechten Straßenseite hinter dem Park befindet. Warum also diese Verschiebung der Treppe auf die linke Seite? (Später sollte mir noch jemand erzählen, dass der bekannte Kölner Gartendirektor Fritz Encke den Park gestaltet hat.) Die Platzierung konnte kein Zufall sein.

Erst ein Foto aus den 30er Jahren lässt mir bei meiner Recherche den Sinn dieser Komposition wie Schuppen von den Augen fallen. Auch wenn auf dem Foto die Treppe selbst nicht zu sehen ist, so doch die Parkgestaltung ohne hohe Bäume. Die Westseite des Parks mit Blickrichtung Süden ist hier abgebildet. Man erkennt die mittlerweile verschwundenen Rosengärten auf der mittleren Terrasse und sehr präsent den Kirchturm der evangelischen Kirche. Der Landschaftsarchitekt hat diesen hochstehenden Landmark in seine Gestaltung von vorne herein mit einbezogen. Die südliche Blickrichtung ist wohlkomponiert: Auf der rechten Seite der Turm als vertikales Element und dazu dann das horizontale Element: die Böschung, in der die Treppe leicht nach links versetzt werden musste, um ein adäquates ästhetisches Gegengewicht zu ergeben.

Was wir auf dem alten Foto sehen, ist ein gelungene, offene Landschaftsarchitektur. Der Park verbindet sich mit dem bebauten Umfeld.

Bis heute funktioniert diese Verbindung durchaus zu der Westseite hin, zu der mehretagigen Wohnbebauung. Zu der Südseite jedoch ist alles zugewachsen, nicht einmal mit einer Drohne kann man den Zusammenhang auch nur ansatzweise als Foto darstellen. Die Bäume sind einfach zu groß.

Natürlich verstehe ich, dass die stattlichen Bäume nicht zurückgeschnitten worden sind: Große Bäume dauerhaft zu beschneiden ist kostenintensiv. Dazu kommt auch die Eigendynamik vieler Entscheidungen – über ein ganzes Jahrhundert lang. Vielleicht hat man den Wert dieser Landschaftsarchitektur einfach aus den Augen verloren?

Ich frage mich: Wer hat die Bäume hier gepflanzt? War es Encke selbst, oder kamen sie erst später dazu? Und vielleicht hat sich auch so mancher Baum einfach selbst breit gemacht.

Was ich toll finde: Ich finde es richtig inspirierend, dass sich hinter einer leicht verschobenen Treppe etwas anderes verbirgt: Hier im Rosenzweigpark gibt es einen großen Wurf, eine besondere stadtplanerische Inszenierung eines Ortes von einem der besten Landschaftsarchitekten seiner Zeit. Sie ist da, und doch im Grün verschwunden. So was mag ich.

Mit unserer künstlerischen Aktion werden wir Teil davon. Eine große Zeichnung entsteht ausgehend von der Treppe. Viele weitere Stufen zeichne ich in den Park hinein. Ich habe rumtelefoniert, Tag für Tag kommen Helfer von Nah und Fern angereist und machen mit. Außerdem kommen Menschen zu uns, um herauszufinden, was wir machen, und warum wir das machen. Ich bin sparsam: Tag für Tag sage ich ein bißchen mehr dazu. Nichts ist schöner als die Neugierde. Am meisten Spaß macht doch immer das Entdecken.

Wie bei allen Rasenmäherzeichnungen geht es um mehr, als um die Zeichnung. Die künstlerische Aktion und das Muster, dass wir im Kölner Rosenzweigpark hinterlassen, hat die Chance die Wahrnehmung für den Ort zu schärfen.

Mit Erwartungen halte ich mich aber weitgehend zurück: Ich glaube, dass bereits ganz viel geschafft ist, wenn Kunst erstmal Fragen aufwirft.

Besten Dank an das Grünflächenamt der Stadt Köln und an STIHL, die dieses Projekt maßgeblich unterstützt haben und an Barbara, Ellen, Reni und Stefan vom ZollstocKULTUR e.V. die mich für dieses Werk nach Köln geholt haben. Und mein Dank geht auch an Birgitt, Günter, Harald, Jan, Michael, Peter und Willem die in unzähligen Stunden vor Ort die Zeichnung mit mir realisierten.

Bei diesem trockenen Sommer ist der Kontrast der Rasenmäherzeichnung sehr gering. Und aus der Vogelperspektive ist der Kontrast der Zeichnung noch wesentlich geringer wie vom Boden. Deshalb hab ich in dieses Luftfotos mehr Grün hinein retuschiert, dass man die Zeichnung gut wahrnehmen kann:

Bildnachweis: Werk TREPPEN (C) Ralf Witthaus, Fotos: 1-7, 11-19, 21-26 (C) Harald Neumann Foto 8: (C) Ralf Witthaus, Foto 9+10, 20: Michael Witthaus

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