Text und Fotografien: Jörg Boström
“Wer immer versucht, hinter die Ursprünge der fotografischen Realitätsausschnitte zu gelangen, findet sich im Trancezustand der eigenen Halluzinationen wieder. Was nun einmal da ist, reicht nicht aus. Die Fotografie bestätigt unsere Gefangenschaft in den visuellen Grenzen, unsere Existenz im Bilderknast. Sie kratzt zugleich an den Wänden, untersucht ihre Struktur, beobachtet die Schattenspiele an der Höhlenwand und verweist auf eine Existenz hinter den Mauern.”
Schwarz und Weiß. Im Stil meiner Zeit. Schwerer Kontrast. Grobes Korn. Fotoserien. Malerei. Tiefschwarz in weiten Teilen. Ausgestellt dann auch im Zechenbereich. Inzwischen ist auch Haus Aden geschlossen. Abgeräumt.
Was bleibt sind die Bilder. Le Mort est dans le Miroire. Sagt Jean Cocteau. Im Film Orphée. Der Tod ist im Spiegel. Orpheus geht in die Unterwelt. Durch einen Spiegel. Es war real eine Wanne voll Quecksilber. Der Tod ist auch in der Fotografie. Jeder belichtete Moment ist vorbei. Vergangen und zugleich festgehalten. Fotografien sind Vergangenheit. Fixiert. Früher Buchstäblich. Im Fixier Bad. Das Spiel mit der Zeit wiederholt sich. Das Suchspiel auch in der Industrie.
Dortmund schließt seine letzte Zeche. Zollern II / IV. Wir werden eingeladen als Fotografen. Wieder Fahrt in die Tiefe. Wieder verrußte Gänge, Maschinen, Menschen und daraus dann Bilder. Ausstellung und Buch.
Die Kettenreaktion schließender Industrieanlagen führt zur Kettenreaktion fotografischer Bilder.
Text: Theodor Helmert-Corvey zur Weserwerft
Das zu Ende gegangene Industriezeitalter hat uns so eine Unmenge von verlassenen Architekturen hinterlassen: Alte Fabrikationsanlagen, die im öffentlichen Bewusstsein oftmals nur wenig Beachtung finden. Die Zunahme an frei gesetzten einzelnen Industriegebäuden oder großflächigen Arealen sind also das markante Indiz für den rasanten Strukturwandel im Industriesektor von der Industriegesellschaft zur Dienstleistungsgesellschaft, von “alten” Technologien zu “neuen” Technologien. Man spricht auch von der digitalen Revolution oder der dritten industriellen Revolution.
Was bleibt? Ein reiches industriekulturelles Erbe, das über ganz Europa verteilt ist. Ein riesiges Netzwerk, das häufig erst auf den zweiten Blick erkennbar wird. Zu diesem Netzwerk gehören auch weniger bedeutende Industriedenkmäler – die kleinen Räder, ohne die das große Getriebe nicht funktionieren kann, wie etwa die alte Weserwerft in Minden.
Text: Renate Buschmann zur Eröffnung der Ausstellung in Oerlinghausen
Hochofen
1990 werden Jörg Boström und Jürgen Heinemann vom Westfälischen Industriemuseum eingeladen, den stillgelegten Hochofen der Henrichshütte in Hattingen zu fotografieren. Die früher einmal betriebsame Industrieanlage ist nun menschenleer. Die Arbeiter, die die riesigen Maschinen bedienten und damit auch verlebendigten, sind verschwunden. Vereinzelt trifft man noch auf Arbeiter von Abbruchunternehmen, die demontieren, auflösen, zerstückeln. Die Mehrzahl der Fotos hält keine Bewegung fest, sondern nur noch die Schwere und Unbewegtheit der Maschinenkolosse. Eingefrorene Zeit einer verblassten Industrieära. Mit den Fotos begibt sich Jörg Boström auf die Suche nach den Überresten und Relikten einer Arbeitswelt, die einst innovativ war und das Leben zahlreicher Menschen bestimmte. Ebenso wie die Archäologie anhand von Werkzeugen wie Faustkeilen und Speerspitzen prähistorische Gesellschaften erforscht, betreibt Jörg Boström die fotografische Spurensicherung einer Industriekultur, die fast noch Heute ist, aber schneller, als wir glauben, zum Gestern wird. Dass diese Maschinenanlagen einst pausenlos liefen und Lärm, Schmutz und Hitze verbreiteten, ist der Stille der Bilder nicht anzusehen. Wären da nicht winzige Spuren, bliebe die frühere Anwesenheit von Arbeitern unbemerkt. Die Szenerie erschiene zeitlos. Doch mit einem einzigen Foto, in dem sich ein Schattenporträt des Fotografen in die Ruinenkulisse einfügt, kehrt die Zeitlichkeit zurück.