Wilde Nächte im Kasino

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Betreff: Wilde Nächte im Kasino
Datum: Sun, 18 Aug 2019 14:53:59 +0200
Von: Jürgen Bennert

 

Ach das sind ja nette Fotos!  (Kommen gleich hinterher mit extra-Email!)

Apropos “Kasino”. Das  vornehme Festgebäude der Bayerwerke war in vielfacher Hinsicht ein Mittelpunkt  der besseren Leverkusener Gesellschaft – auch für uns Pennäler.

Im Keller standen Billardtische, auf denen wir Karambolage spielen durften; nur nicht auf dem Profitisch mit dem neuen Tuch. Hundert Mark kostete der Ersatz, wenn man ein Loch hinein gestoßen hätte. Das war damals der Wochenlohn eines Arbeiters bei Bayer.

Der beste  Mann mit dem Queue war Hennes Flinzer.

Viel bedeutsamer  für uns war aber der große Ballsaal. Herr von Kaiser aus Düsseldorf – die damals führende Tanzschule in NRW – lehrte uns  dort die richtigen Schritte auf dem Parkett;

einschließlich so wilder Tänze wie “Old New York was once New Amsterdam, why they changed it never they say, people just liked it better that way… ” war das Bebop?

Wir durften auch unter der Woche in den Saal um zu üben und haben davon reichlich Gebrauch gemacht. Beim Mittelball bin ich mit Karin im langsamen Walzer mit Riesenschritten übers Parkett “geschwebt” Sie hatte einen dicken blonden Zopf und tanzte wunderbar – und wir waren mächtig stolz, als eine Mutti zur anderen meinte: “das ist die von-Kaiser-Schule!”

Die Karnevalsfeste fanden natürlich auch dort statt. Mit dem Kunstlehrer des Mädchengymnasiums haben wir die Dekorationen auf Packpapier gepinselt. Meiner  oben-ohne-Seejungfrau hat er tatsächlich ein Bikinioberteil übergemalt. Ja, so war das damals: wir waren erst siebzehn – und dann so was!

Nach den Bällen ging  längst keine Straßenbahn mehr. Die letzte – Linie “O” vom Heumarkt in Köln nach Opladen – fuhr um zehn Uhr . Da bin ich leicht mal zwölf Kilometer nach Hause in Bürrig getippelt, einem der ehemaligen Dörfer, die zur Stadt Leverkusen zusammen gewachsen waren, einschließlich dem Umweg über Küppersteg, wo meine Tanzstundendame Anne Selschop wohnte.

Wir waren so tanzwütig: wir haben Klassenfeste – ohne Lehrer – in dem Lokal überm Eingang vom Freibad veranstaltet; nur ein paar hundert Meter vom Gym entfernt. Heute steht dort die Fußballarena von Bayer Leverkusen.

Schuß jetzt. Erzählt ihr weiter.

Euer Jürgen

 

 

Leverkusen – Wiesdorf, 6. Februar 1954. Schlussball.

 

Anmerkung der Redaktion: In dem besagten Tanzlokal in der Nähe des Standorts des Carl-Duisberg-Gymnasiums am Park in Leverkusen, befindet sich heute ein Restaurantbetrieb, dessen Eingang auf der Bismarckstraße liegt. Dort gab es 2016 ein Ehemaligentreffen. Siehe http://www.vm2000.net/4938/
Neben dem damaligen Freibad befindet sich jetzt auch noch ein Hallenbad. Die Bay Arena liegt jenseits der Dünn. Damals trainierte die Leverkusener Fußballmannschaft im Stadion am Stadtpark, ca. 500 Meter vom CD-Gymnasium entfernt.

 


Aus dem Leverkusener Nachtleben 

Text von Gernot Koch, erschienen in der Schülerzeitschrift “Der CeDist”,
Dezember 1954

Jedem harmlosen Fremdling, der Samstag abend durch die Straßen Leverkusens wandelt, sind wohl schon befrackte und vermummte Gestalten aufgefallen, die einem großen, im Leverkusener Süden befindlichen Gebäude zueilen. Ein harmloser Passant fragt sich nun: Handelt es sich um Autobahnräuber, die dem Vereinslokal zustreben? Oder sind es dem Alkoholismus verfallene Beamte, die sich zum Orte ihrer Leidenschaft bewegen? Diese Fragen hoffe ich auf überraschende Weise an einem Beispiel von Grund auf klären zu können.

Versetzen wir uns in das Badezimmer einer Neubauwohnung im Raume Leverkusen. Schon vor diesem Zimmer, das anscheinend von einem jungen Mann besetzt ist, dringen laute Schreie, Flüche und Ausrufe an unser Ohr, die die Kenntnis der Zehn Gebote sowie verschiedener Anstandsregeln bei diesem jungen Mann sehr in Frage stellen. Der Anlaß ist eigentlich ein ganz harmloser: er hat sich beim Rasieren geschnitten und’ versucht vergebens, den Blutstrom mit einem Wattebausch zu stillen. Schauen wir einmal in das Schlafzimmer des jungen Mannes! Auf einem Stuhl liegt ein frisch gebügelter Anzug, daneben ein ebensolches Hemd. Offenbar beabsichtigt er, sich in bessere Gesellschaft zu begeben. Im Badezimmer nebenan hat unser Freund inzwischen mehrere Tuben von „Mayers Haarglanz” auf sein Haupt entleert, betrachtet dann bekümmert eine Warze über seinem rechten Nasenloch und verläßt nun, unter hoffnungslosen Versuchen, den Foxtrott nachzupfeifen, das Badelokal. Jetzt wirft er sich in seine Klamotten, flucht noch fünf Minuten über Manschettenknöpfe, die „der Alte” verschlampt hat, wirft sich dann auf sein Fahrrad und eilt unter Nichtbeachtung etlicher Verkehrsregeln dem schon eingangs erwähnten Gebäude am Stadtrand zu. Welche geheimnisvollen Mysterien werden sich dort abspielen? Nun, sehen wir weiter! 

Der junge Mann hat inzwischen sein Ziel erreicht. Er stellt sein Fahrrad unter und stürmt in einen Saal, aus dem laute Tanzmusik eines zu langsam laufenden Grammophons ertönt. Da auf dem Parkett eine Anzahl von Paaren mit angestrengter und konzentrierter Miene ihre Schritte setzen, vermutet auch der Unbeteiligte sofort, daß es sich hier um einen Tanzkursus handelt. Auch ein älterer Herr, der an der Seite sitzt und bei einer Tasse Kaffee angestrengt zu denken scheint, bestätigt diese Vermutung. Nach einer Weile erhellt sich das Gesicht dieses „Maitre de plaisir”; er erhebt sich, stellt die Musik ab und beginnt das Ergebnis seiner längeren Überlegung vorzutragen, das er in drei Sätze gefaßt hat. Er spricht: „Meine Damen und Herren! Erstens: Gutes Tanzen ist schwer. Zweitens: Gut tanzen können nur wenige. Drittens: Es ist schön, wenn man gut tanzen kann.” Andächtig lauscht die Menge, einige nicken mit den Köpfen, andere murmeln zustimmend. Backfische seufzen. Nun erklärt der Meister theoretisch einen neuen Spezialschritt. Auf die Theorie folgt die Praxis. Etliche rempeln etliche an, man tritt und wird getreten. Auch unser junger Mann befindet sich mitten im Gewühl, auch er huldigt der allgemeinen Sitte: Tritt er jemandem den Absatz herunter, zaubert er ein gewinnendes Lächeln auf das Gesicht; wird ihm ein Ellenbogen in den Bauch gerammt, schießt er Zornesblicke. 

Höchste Zeit, eine Pause einzulegen. Auch die am Rande sitzenden „Sehleute”, die den Vorzug genießen, jeden Samstag eine Komödie erleben zu dürfen, bei der nur die Schauspieler bezahlen, auch sie legen eine Pause ein, um sich ein Bier zu genehmigen. 

Nach der Pause geht es mit einem Wiener Walzer weiter. Der Tanzmeister hat einen Verzweiflungsanfall erlitten und räumt seiner Assistentin das Feld, die ebenso verzweifelt an der Linksdrehung arbeitet und froh ist, als das Ende der Stunde erreicht ist. Jetzt bringen einige junge Herren einige junge Damen nach Hause, während andere sich freuen, daß es noch Väter gibt, die ihre Töchter per Auto abholen. Eine größere Schar dieser jugendlichen Elite Leverkusens pflegt sich nun noch in den dortigen übel beleumdeten Lokalen herumzutreiben, bis diese sonntags früh geschlossen werden. — Dann strebt auch unser junger Freund wieder seiner Heimstatt zu. 

Am nächsten Samstag werden wieder dunkel gekleidete Gestalten zum Leverkusener Süden eilen. Es sind aber nur harmlose Oberstufen-CeDisten, die den Samstagabend auf althergebrachte Weise verbringen. 

Gernot Koch U Ia 

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