62,5 g Fett

Share

——– Weitergeleitete Nachricht ——–

Betreff: Meine Oma und die Polizei – weils wahr ist!
Datum: Sat, 10 Aug 2019 13:49:02 +0200
Von: Jürgen Bennert

 

Freunde, ich habe eben mit Annette telefoniert und kam dabei auf ein Histörchen, das sich kurz nach dem Krieg in meiner Familie zu trug. Annette will es in im Internet im “Virtuellen Maganzin” unterbringen.

Wenn ihr ähnliches aus jener Zeit auf Lager habt, würde sie sich freuen.

Euer Jürgen

Wie ihr vielleicht wisst, gab es vom Beginn des Krieges an Lebensmittelkarten. Erst nach der Währungsreform 1949 verschwanden sie mit der Einführung D-Mark.

Ich erinnre mich noch an  aufgedruckte “Märkchen” für “62,5 g Fett”. Anfangs war das die Zuteilung für eine Person pro Tag; zum Schluss für eine ganze Woche.

Beim Abwiegen bestand man darauf dass der Klecks Margarine auf ein kleines Blatt Papier geschmiert wurde – wegen dessen Gewicht!!

Nun war mein Vetter Walter ein begabter Grafiker. Auf den unbedruckten Arealen der Lebensmittelkarte “malte” er weitere “Märkchen” – nach Bedarf und Hunger. Die durfte man auch einzeln ausgeschnitten beim Lebensmittelhändler vorlegen. Das funktionierte. So brachte er seien Familie einigermaßen satt  über die schlimme Zeit.

Mein Vater, kein Grafiker aber nicht ungeschickt im Zeichnen, versuchte sich ebenfalls in dieser “Brotvermehrung”. Mit dem Ergebnis schickte man mich damals Neunjährigen ins Nachbardorf zum Bäcker. Offensichtlich genügte die Darstellung den scharfen Augen der Bäckerin nicht. Zufällig war auch noch ein Polizist im Laden. Ich sehe heute noch, wie sie die Köpfe zusammen steckten und gemeinsam befanden, dass meine Märkchen nicht echt waren. Ich selbst hatte von dieser Urkundenfälschung keine Ahnung.

Wie ich den hieße und wo ich denn wohne usw. Man schickte mich nach Hause – ohne Brot. Die Erwachsene hingegen erhielten eine “Vorladung”. Für solche Fälle und andere Behördengänge wurde stets meine Großmutter eingeschaltet. Ihr diplomatisches Geschick war geschätzt. Darin unterschied sie sich von der aufbrausenden Art ihre Mannes und ihrer sieben Kinder.

Oma ging also zur Polizei und “gestand” unter Tränen, dass sie die Märkchen gegen teure Reichsmark  – ein Pfund Butter kostete damals auf dem Schwarzmarkt 250 RM – am Kölner Hauptbahnhof erstanden hätte und dass doch sie in Wahrheit die Betrogene sei.

Das hat funktioniert.

Noch wenige Jahre zuvor, in der Nazizeit, hätte einen ein solches “Verbrechen gegen die Volksgemeinschaft” ins KZ gebracht.

Jürgen Bennert

 

 

 

Kohlen- und Lebensmittelkarten aus der Kriegs- und Nachkriegszeit, Quelle: Wikimedia Commons

Zentralbild
II. Weltkrieg 1939 – 1945
Rationierung der Lebensmittel im faschistischen Deutschland. Lebensmittelkarte für die Mark Brandenburg aus dem Jahre 1941.

 

Speichere in deinen Favoriten diesen permalink.

Kommentare sind geschlossen.