von Andreas Jackstien
Getrieben werde ich durch einen inneren Zwang, welcher der geweckten Lust des Malers entstammt, der seine Augen erquickend querbeet durch die Kunstgeschichte streifen lässt. Alltägliches, Dinge, die mich umgeben, interessieren mich nicht nur, weil ich damit Geschichten erzählen will, auch weil ich mich mit Hilfe tradierter Motivik an meinen Vorbildern abarbeiten kann – abarbeiten nicht als Sklave des Vorbildes, sondern den freien Dialog suchend.
Giorgio de Chirico (italienischer Maler 1888-1974) verwendete oftmals in seinen Bildern der metaphysischen Phase von 1911 bis 1919 Glieder oder – Schneiderpuppen, welche als Stellvertreter für real nicht existierende Wesen anzusehen sind. Die griechischen Mythen, denen de Chirico schon in seiner Kindheit begegnete – er wuchs in Griechenland auf – und das Studium philosophischer Literatur, von Schopenhauer bis Nietzsche haben ihn zur Entwicklung dieser traumähnlichen Bilderwelt inspiriert.Häufig sieht man in seinen Bildern Eisenbahnen durch den Bildraum schnaufen oder Fahnen, die im Wind flattern. Alles scheint in der Ewigkeit des Bildraumes verhaftend. Überhaupt wirken die Bilder de Chirico’s metaphysischer Periode wie Bühnen. Die Darsteller sind Puppen, die meistens griechischen Gottheiten zugeordnet werden. Handschuhe liegen oder stehen herum, Arkaden säumen leere Plätze. Sogar Kekse dienen ihm als Sujet.
In meinem Bild zitiere ich de Chirico mehrfach. Auch hier begegnet dem Betrachter eine Gliederpuppe im Zentrum des Bildgeschehens. Sie ist hier jedoch Ausdruck der Zwanghaftigkeit des Malens, den Absolutheitsanspruch des Kunstschaffens verkörpernd.Auch stößt der Betrachter in der Atelierszene auf de Chirico’s Handschuhe, die ich mir angeeignet habe. Von dort aus wandert der Blick links aus dem Fenster hinaus in die Stadtlandschaft. Auf einem Gebäude weht eine Fahne, des Weiteren kommen Schornsteine vor, die man oberhalb eines rötlichen Gemäuers entdecken kann. Bei de Chirico befindet sich manches im Verborgenen. Hinter Mauern werden die Segel eines Schiffes oder Türme sichtbar. Man kann das Dach einer Fabrik erblicken oder eine alte Festung türmt sich auf im unbestimmten, sogar unendlichen Raum.
So habe ich etwas vor meine Stadtlandschaft gebaut, was den Blick auf sie verbirgt. Die zentrale Figur in meinem Bild, die wie bei de Chirico durch eine Puppe dargestellt wird, soll keine griechische Gottheit sein. Sie stellt eine Maschine dar, die darüber hinaus autobiografisch gemeint ist, aber auch als Identifikationsfigur für den Künstler, Maler, Gestalter an sich fungiert. Ihre Mechanik kommt den Maschinenplastiken eines Jean Tinguely (1925 -1991) nah. Dieser baute aus Schrottteilen Apparaturen, Brunnen – sogar echte Malmaschinen, mit denen in tausendfacher Menge abstrakte Zeichnungen erstellt werden können. Interessant an den technisch verspielten Objekten von Tinguely ist, dass sie nicht den eigentlichen Zweck von Technik erfüllen, nicht funktionieren um eine Aufgabe zu erfüllen. Sie entwickeln ein Eigenleben, bekommen eine eigene Persönlichkeit.
Um meine Malmaschine mit Leben zu erfüllen, umgebe ich sie mit symbolhaften Gegenständen. Rechts hinter der Leinwand, an der die Maschine arbeitet, eröffnet sich der Blick zu ihrem Wohnraum. Ein Bett zum Ausruhen findet sich dort. Eine Flasche Wein und Weintrauben offenbaren ihre Fähigkeiten Genuss am Schönen zu finden. Attribute wie Zeitung, Uhr, Bücher, Besen und was man außerdem vorfindet in ihrem Gemach, funktionieren als intime Symbole der Malmaschine. Ihr sich selbst auferlegter Sinn ist das Malen, sich selbst, die Umgebung, ihr Milieu. Das Malen selbst ist Lebensinhalt. Offenherzig, frei drängt sie nach Außen (dargestellt durch den Vogel, das einzig lebende Wesen im Bild), bereit zum Dialog mit denen, die jenseitz ihres Malzimmers leben – in der Stadt. Doch die Gesellschaft will sie nicht, türmt sich auf, wie eine Festung, in der kein Platz ist für Musisches.