Das antike Korinth war so reich, dass es einen eigenen Kunststil schuf.

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Tempel der Octavia, der Frau des Kaisers Augustus.

Arn Strohmeyer.

In der Antike gab es ein Sprichwort, das besagte: „Nicht jede Sache ist eine Reise nach Korinth wert.“ Mit anderen Worten: Die Stadt auf der Landenge (Isthmos) zwischen dem Korinthischen und dem Saronischen Golf war wegen ihres immensen Reichtums bekannt für ihren luxuriösen Lebensstandard und damit auch für ihren hohen Kultur- und Kunststandard, aber eben auch für ihre hohen Preise. Deshalb sollte ein Normalbürger eine Reise in diese reiche Handelsmetropole lieber meiden. Diese Regel gilt natürlich heute nicht mehr. Ganz im Gegenteil sind Besucher willkommen. Die antike Ruinenstadt ist heute ein Magnet für Liebhaber der griechischen und römischen Antike aus aller Welt – nicht unbedingt zum Nachteil der modernen Stadt Korinth, die einige Kilometer nördlich der alten Metropole liegt.
Korinth war in der Antike der reichste Hafen Griechenlands, wenn nicht des ganzen östlichen Mittelmeeres. Es war die volkreichste Stadt des antiken Hellas, sie besaß die größten Banken und die meisten Kurtisanen. Alle Künste, die mit Luxus verbunden waren, wurden hier kultiviert. Es gäbe heute in Korinth viel mehr an antiken Kunstschätzen zu bewundern, wenn – ja wenn – die Geschichte nicht gewesen wäre, die dieser Stadt sehr übel mitgespielt hat. Kaum eine antike Stadt hat ein so wechselvolles und grausames Schicksal erlebt wie Korinth. Und dabei sind natürlich wertvolle Kulturgüter geraubt oder zerstört worden.

Tempel des Apollon

Die große Faszination heute ist natürlich die antike Ruinenstadt mit ihrem alles überragenden im dorischen Stil zwischen 550 und 520 v.u.Z. gebauten Apollon-Tempel, von dem noch sieben Säulen stehen. Was fast an ein Wunder grenzt angesichts der bewegten Geschichte dieser Stadt. Denn dieses Bauwerk ist neben dem Theater eines der wenigen Überreste aus der griechischen Zeit. Blickt man heute von der Höhe des Tempels auf die Überreste der antiken Stadt, dann hat man in etwa den Eindruck, den der Besucher von Korinth hatte, als es die Hauptstadt der römischen Provinz Achaia war. Der Blick von diesem Hügel auf die alte Stadt mit der Agora, den Läden, heiligen Brunnen, Bädern, Märkten, dem Gerichtsplatz, dem Theater und dem Odeion, ist wie ein Blick auf ein sehr buntes, aber auch sehr grausames und untergegangenes Welttheater. Denn es ist fast unvorstellbar, was sich hier im Lauf von Jahrtausenden und Jahrhunderten abgespielt hat, von dem das von den Archäologen freigelegte Gelände aber kaum noch etwas verrät.

In der Zeit, aus der die hier sichtbaren römischen Überreste der Stadt stammen, hatte Korinth wieder einmal eine Blütezeit erlebt, nachdem die Römer der Metropole die schlimmste ihrer Niederlagen zugefügt hatten. Als der Achaische Bund, dem Korinth angehörte, Sparta den Krieg erklärte, eroberte die römische Armee unter ihrem Feldherrn Lucius Mummius 146 v.u.Z. die Stadt und zerstörte sie vollständig. Alle männlichen Einwohner wurden umgebracht, Frauen und Kinder in die Sklaverei verschleppt. Julius Caesa gründete dann 44 v.u.Z. die Stadt neu und besiedelte sie mit Freigelassenen aus Rom. Korinth war nun eine römische Kolonisten-Stadt, in der lateinisch gesprochen wurde. Zugleich war es der Verwaltungssitz der römischen Provinz Achaia. Die Beschreibung des wechselvollen Schicksals dieser Stadt würde viele Bände füllen Immer ist die Geschichte Korinths aber auch mit der großen Weltgeschichte verbunden. Ihr Reichtum, der aus dem Handel mit Bronze- und Tonwaren sowie mit Parfümerieprodukten, Purpur und Stoffen herrührte, muss fremde Herrscher magisch angezogen haben. Gewaltsame Auseinandersetzungen und Kriege waren fast der Normalzustand für Korinth, das auch wegen seiner strategisch wichtigen Lage begehrt und umkämpft war.

Kaiser Augustus

 

In der ältesten Zeit wechselten sich Könige, Tyrannen und Adelige – später auch Demokraten – in der Herrschaft ab. Immer wieder lag Korinth im Streit mit der konkurrierenden Handelsmetropole Athen, was 431 v.u.Z. auch zum Ausbruch des Peloponesischen Krieges führte. Später besiegelte der makedonische König Philipp II. hier das Bündnis mit den Griechen. Nach dessen Ermordung wählten die Griechen hier seinen Sohn Alexander, der später der „Große“ genannt wurde, zum gemeinsamen Anführer für den geplanten Feldzug gegen die Perser.
Es sei nur angedeutet, wer die Stadt in der Folgezeit in Besitz nahm und beherrschte, was immer mit Zerstörung, Mord und Vertreibung verbunden war. Nach den Makedonen kamen die Ägypter, Spartaner, Römer, Westgoten, Slawen, Byzantiner, Franken, der Johanniterorden, Venezianer, Türken und im Zweiten Weltkrieg die Deutschen. Im griechischen Freiheitskampf gegen die Türken zu Beginn des 19. Jahrhunderts spielte Korinth dann eine wichtige Rolle, es sollte sogar die Hauptstadt eines freien griechischen Staates werden. Neben fremden Eroberern hatte Korinth noch einen anderen mächtigen Gegner: ständige Erdbeben suchten die Stadt heim und zwangen die Bewohner, in der Mitte des 19. Jahrhunderts umzuziehen und ihre Gemeinde am Meer neu zu errichten.
Die vorübergehende Anwesenheit eines Mannes hat Korinth auch seinen Platz in der Religionsgeschichte gesichert: des Apostel Paulus. Auf seiner Missionsreise kam er im Jahr 50 n.u.Z. hierher, blieb 18 Monate und versuchte in dieser Zeit, eine Gemeinde aufzubauen. Er stieß bei den Juden der Stadt auf massiven Widerstand. Wegen dieser Unruhen musste er sich vor Gericht verantworten, die Richtertribüne (Bema) ist heute noch zu sehen. Seine Mission in der Stadt war aber durchaus erfolgreich. Aus Ephesus schrieb er die ins Neue Testament aufgenommenen Briefe an die Korinther. Er kehrte später mehrmals in die Stadt zurück.

Sphinx von einer Grabstele in Korinth.

Im kleinen aber gut ausgestatteten Museum lässt sich noch erkennen, welche Höhe Architektur und Kunst in dieser Stadt einst erreicht hatten. Korinth entwickelte zwischen dem 7. und 5. Jahrhundert v.u.Z. den Stil der schwarzfigurigen Vasenmalerei, der später in ganz Griechenland übernommen wurde und zu einer der Haupttechniken und –Stile der antiken Vasenmalerei wurde. Dabei wurden die Figuren und Ornamente, die gestaltlich und farblich an Silhouetten erinnern, auf die Vasen gemalt. Vor dem mehrphasigen Brennen wurden die feinen Umrisse und Konturlinien in die Malereien eingeritzt. Mit Deckfarben wie Weiß und Rot konnten die Details herausgehoben werden. Motive waren vorrangig mythologische Szenen, menschliche Figuren, Tiere und orientalische mythische Wesen wie Greife, Chimären und Sphinge.
Eine Auslage des Museums beschreibt ergänzend, welch wichtige Rolle Kunst im antiken Korinth gespielt hat: „Die Kunstwerke, die die Stadt schmückten, sind Beweise für ihren Wohlstand. Als charakteristisches Kunstwerk gilt die marmorne ‚Sphinx von Aetopetra‘, die im 6. Jahrhundert v.u.Z. entstand und wahrscheinlich eine Grabstele bekrönte. Eine Spinx aus Poros aus dem Bereich der Agora, Akrotere in der Gestalt von Sphingen aus Terrakotta und auch die berühmten bemalten Tonaltäre, sind Werke einheimischer Künstler. Ihr Ruf verbreitete sich nicht nur bis Böotien und Attika, wohin sie Terrakottastatuen und Entwürfe von Bronzestatuen exportierten, sondern auch bis nach Korfu, wo sie die Bauplastik des Artemis-Tempels schufen.“

Pferdekopf

Und weiter: „In den korinthishen Keramik-Werkstätten wurden zu dieser Zeit tausende der sogenannten ‚protokorinthischen Waren‘ (720 – 630 v.u.Z.) hergestellt, die in den Häfen, Handelszentren und Heiligtümern des ganzen Mittelmeeres weite Verbreitung fanden. Gefäßformen wie Aryballoi, Alabastra, Kotylen und Olpen wurden bunt und figurenreich bemalt, zum Teil trugen sie Inschriften mit Buchstaben des korinhischen Alphabets. Besonders beliebt waren Motive, die aus dem östlichen Mittelmeerraum stammten wie Fabelwesen, Raubtiere oder auch Pflanzen. Sie sind Beispiele für das kosmopolitische Denken ihrer Schöpfer. Die Gefäße, die Salben zur Körperpflege, Früchte und Duftöle beinhalteten, wurden Jahrzehnte lang gehandelt. Das Zentrum der Töpferproduktion war der korinthische Töpferbezirk, der am nordwestlichen Ende der Stadt, außerhalb der Mauer lag. (…) Die Töpfertechnik Korinths war auf sehr hohem Niveau. Beeindruckend sind auch die plastisch geformten Gefäße in Form von Rebhühnern, Eulen usw.“

Quelle: Wikimedia Commons
By ZdeOwn work, CC BY-SA 4.0, Link

 

Quelle: Wikimedia Commons
By ZdeOwn work, CC BY-SA 4.0, Link

Zwei Vasen im Stil der schwarzfigurigen Vasenmalerei.

Natürlich haben auch die Römer, die die Stadt Jahrhunderte lang beherrscht haben, nicht nur architektonische, sondern auch künstlerische Spuren hinterlassen. Vor allem marmorne Statuen der führenden Staatsmänner, die mit Korinths Geschichte eng verbunden sind, besitzt das Museum: von Cäsar, Nero und Augustus. Distanziert, hart und kalt blicken sie den Betrachter an, der Macht- und Herrschaftswille des großen Weltreiches drückt sich in ihrer Mimik und Gestik aus. Daneben in feinster geometrischer Anordnung gearbeitete Mosaiken, aus deren Mitte meist ein Tierkopf schaut. Fast anrührend wirken Votivgaben aus dem Tempel des Heilgottes Asklepios. Diese Weihegeschenke der Patienten stellen erkrankte Glieder (Füße, ganze Beine, Hände, Haare und Geschlechtsteile) dar. Ob die Leidenden die ersehnte Heilung gefunden haben? Der Asklepios-Kult lebte auch in römischer Zeit fort.

Gaius Julius Caesar

 

Weihegaben aus dem Asklepiosheiligtum.

Im 1. Jahrhundert n.u.Z. durchwanderte der griechische Schriftsteller Pausanias Hellas und beschrieb akribisch all die baulichen und künstlerischen Herrlichkeiten, die die griechische Antike hervorgebracht hatte. Ihn muss die Angst umgetrieben haben, dass die Säulen bald nicht mehr stehen würden – eine Befürchtung, die sich bestätigte. Auf dem Rundgang durch das antike Korinth äußert der britische Direktor der Ausgrabung, der Archäologe Guy Sanders, einen ähnlichen Gedanken. Mit Sorge, sagt er, denke er daran, dass kommenden Generationen die Beschäftigung mit der Geschichte vielleicht nichts mehr bedeuten werde. Gehen wir also einer Zeit entgegen, die die eigenen Ursprünge, ihre Zeichen, Symbole, Stile und Aussagen nicht mehr versteht? Besteht die Gefahr, dass auf antiken Ausgrabungsstätten wie Korinth bald wieder Gras wächst?

 

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