Interview Teil 13 – Höhlenkunst

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Interview des vm2000.net mit Jörg Boström


Du hast die Höhlenmalerei als Inspiration erwähnt, hast Du mal Höhlen besichtigt?

Ja, in Lascaux, da sind wir mal gewesen, und haben die Höhlen unter Tage gesehen, und da habe ich auch die Höhlenmalerei von Lascaux gesehen. Die kannst Du mal im Internet suchen, und wirst sie sicherlich auch finden, das ist sehr beeindruckend. Das hat mich auch weiter angeregt zur Malerei, dass Malerei ein urmenschliches Tun, ein urmenschliches Handwerk ist, das die Menschen überhaupt erst zu Menschen macht, nämlich die Kunst. Und das sieht man aus meinem Verständnis besonders gut an der Höhlenmalerei.

Die Höhle von Lascaux ist bestimmt sehr eindrucksvoll?

Oh ja, und die macht das, was ich auch an der Kunst sehe für mich, nämlich, das eigene Leben darstellen, bei der Höhlenmalerei sind es ja die Tiere. Die gejagten Tiere auch. Die Tiere sind die Lebensmittel der Höhlenmalerei-Zeit, sie sind das Wichtigste für die Menschen, und deswegen sind sie auch dazu übergegangen, das malerisch darzustellen.

Die Malerei scheint ihnen auch sehr wichtig gewesen zu sein, denn sie haben ja unter körperlichem Einsatz mit Fackeln in dunklen Höhlen Decken bemalt und solche Sachen. Ich denke, das zeigt, wie wichtig auch damals die Kunst schon war.

Ja, genau, das kann man an den Höhlen sicherlich beobachten.

Tierdarstellungen in der Höhle von Lascaux
By Prof saxx (Own work) [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html), CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/) or Public domain], via Wikimedia Commons

Du hast auch mal die Pariser Katakomben besichtigt?

Ja, das habe ich wohl gemacht, aber ich habe es nicht mehr so genau in Erinnerung.

Ich glaube mich zu erinnern, dass es da auch Gemälde von Dir gibt.

Die Pariser Katakomben habe ich sicherlich besichtigt, bei meinen Aufenthalten in Paris. Weil mich die Katakomben und überhaupt die Unterwelt immer wieder interessiert hat, auch bei den selbst gebauten Höhlen der Kohlenernte, der Kohlenproduktion. Die Kohle wurde ja aus den Tiefen der Erde hochgeholt, und dann war Kohle ja auch sehr wichtig für das Überleben der Menschen, als Heizung.

Du bist mit Studenten in Zechen eingefahren, und Ihr habt dann auch den Kohleabbau direkt gesehen, unten in den Stollen?

Ja, Du wirst das in meinen Fotos ja auch wiederfinden.

Erinnern die Zechen auch an Höhlen oder Katakomben?

Kann man sagen, auf jeden Fall ist die Unterwelt sich immer ein bisschen ähnlich. Ich kann Dir ja mal ein paar Fotos schicken.

Katakomben sind ja eine Art Zeitreise, die Höhlenmalerei ist eine Zeitreise in die entfernte Vergangenheit, und auch die Zechen sind eine Zeitreise in das Karbon-Zeitalter, weil die Kohle ja aus Fossilien aus dem Karbon-Zeitalter besteht. Ist Dir das auch aufgefallen?

Ja, ist mir auch aufgefallen. Und unheimlich waren sie mir nicht.

Ich denke, die Steinzeithöhlen wären mir am wenigsten unheimlich. Es gibt sogar eine Steinzeithöhle, die mit einer elektrischen Bahn befahren werden kann.

Ja, das gibt es auch, da spart man sehr viel Wege. Mit der Bahn durch die Höhlen zu fahren, ist schon ebenfalls ein Abenteuer.

Als ich eben darüber nachdachte, welche Höhle ich gerne mal besichtigen würde, da dachte ich, ach es wäre doch angenehm Rouffignac zu besichtigen, weil man da mit der Bahn reinfahren kann.

Ha ha, ja, das kann ich mir schon vorstellen.

Allerdings ist es dadurch nicht mehr ganz so authentisch, aber die Höhle bleibt erhalten, weil man die Besuche sehr gut planen kann und auch nicht mit Vandalismus rechnen muss.

Ja, und dann bin ich, wie Du ja auch andeutest, mit Studenten in Zechen eingefahren, weil ich in der Regel als Professor die Neigung hatte, die Studenten mit den Dingen, die mich faszinieren, in Verbindung zu bringen. Ich dachte, dass sie da auch vielleicht selber Interesse hätten, und das hat für mich auch den Vorteil dass ich, was mich faszinierte, mit den Studenten nochmal wiederholen konnte. Unter Tage Arbeit.

Du wolltest Deine Begeisterung mit den Studenten teilen, und das ist wahrscheinlich auch gelungen?

Ja, ich denke wohl, ja.

Die Höhlenkunst wirkt großenteils in gewisser Weise meisterhaft, die Tierdarstellungen wirken sehr gelungen, und es gibt auch bereits Anfänge von perspektivischer Darstellung, in der Anordnung von mehreren Tierköpfen, und verschiedene Mal- Wisch- Ritz- und Sprühtechniken. Ist es nicht erstaunlich, dass die frühen Menschen bereits solche Werke herstellen konnten?

Ja, es muss wohl so sein, dass die frühen Menschen schon in kultureller Richtung hoch entwickelt waren, und in Sachen Kunst beinahe auf unserer Ebene. Sie hatten eben ihre eigene Kunst, und für sie war die Kunst als Antwort auf die Wirklichkeit besonders wichtig, und das ist sie ja für mich auch. Mir ist die Höhlenmalerei persönlich nahe, weil sie mit der Wirklichkeit zu tun hat, und meine Malerei, und meine Fotografie hat mit der Wirklichkeit sehr viel zu tun, und widerspiegelt mein Abenteuer, mein Leben, mein Bewusstsein.

Und die Höhlenmenschen waren schon genauso Künstler wie die heutigen Menschen, die waren nicht in irgendeinem Anfangsstadium des Entwickelns der Kunst, sondern waren sofort Künstler?

Ja, im Grunde ist die Kunst ja immer direkt. Und natürlich hat sich die Kunst in verschiedenen Kunstepochen verschieden entwickelt, aber sie ist immer den Menschen nahe, und der Mensch ist im Grunde in meinem Verständnis Mensch, sobald er Kunst macht.

Ich würde das glaube ich auch so sehen.

Wir haben in der Höhlenmalerei Wandmalerei und Deckenmalerei und wir haben z.B. in der Renaissance ja auch, und im Barock. Wo die Menschen zur Decke steigen in ihren Höhlen, und in diesem Falle ihrer Architektur, in den Schlössern, und dort unter der Decke wie etwa Michelangelo großartige Bilder malen. Ich habe ja eine Ausstellung von Michelangelo gesehen, und habe sie auch fotografiert, wo man die Arbeiten von Michelangelo von der Decke heruntergeholt hat, und auf die Erde gestellt hat, so dass man nicht da oben herumklettern muss, sondern dass man sie Auge in Auge in der Horizontalen sieht, eine wunderbare Michelangelo Ausstellung.

Die Höhlen von Lascaux wurde auch als Sixtinische Kapelle der Frühzeit bezeichnet, von dem Abbé Breuil, der ein Höhlenforscher war, und katholischer Priester.

Den habe ich jetzt im Moment nicht so im Kopf, aber Du hast den ja ergoogelt, oder kanntest Du den schon vorher?

Der Abbé Breuil (re.), ein bekannter Prähistoriker und Höhlenforscher, in der Höhle von Lascaux
Abbe Breuil in Lascaux caves at La Mouthe, See page for author [CC BY 4.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/4.0)], via Wikimedia Commons

 

Von dem habe ich früher schonmal was gelesen, der hat auch Bücher über Steinzeitmalerei verfasst. Speziell Lascaux scheint es ihm da angetan zu haben. Womöglich ist dieser Vergleich auch passend, womöglich handelte es sich sogar auch um einen religiösen Ort, obwohl der Abbé Breuil sich nicht so sehr mit dem Schamanismus beschäftigt hat. Sondern das war dann später ein anderer französischer Höhlenforscher, Jean Clottes.

Sixtinische Kapelle der Frühzeit ist eine gute Bezeichnung, das sehe ich auch so.

Es gab zwar in der späteren Kunstgeschichte mehr Motive, die man in der Steinzeit noch nicht hatte, mythologische, und christliche, und geschichtliche. Aber wer weiß, ob die Menschen der Eiszeit vielleicht auch schon eine eigene Art von Kunstgeschichte hatten.

Sicher war ihnen nicht nur die Gegenwartskunst, sondern auch frühere im Bewusstsein. Aber nicht so viel wie uns, die wir ganz andere, durch Druckerei, und durch Fernsehen, und eben durch Internet, ganz andere Beziehungen haben zu allen Kunstepochen gleichzeitig, wenn wir wollen.

Die Höhlenmalerei hat sich ja über Jahrtausende weiterentwickelt, und es wurden auch nicht immer die Tiere gemalt, die da aktuell gerade gegessen wurden, manchmal schon, aber manchmal auch nicht, soweit ich weiß.

Na ja, sie haben die Tiere ja nicht wegen Essen gemalt, sondern weil sie ihnen im Kopf waren, und interessant waren. Sie waren ihnen wichtiger als die Menschen, als die Verwandten, habe ich den Eindruck.

Könnte man manchmal vermuten.

Menschen tauchen auf, aber nicht so zahlreich, nicht so intensiv, wie die Tiere.

Das ist wahr. Die Menschen in der Höhlenmalerei sehen manchmal etwas seltsam aus, und sind oft, wenn überhaupt, dann Tiermenschen. Also Menschen mit Tierkopf. Das ließ unter anderem auch die Vermutung aufkommen, dass die Höhlenmalerei mit Schamanismus zu tun haben könnte.

Du meinst, dass sie einen religiösen Hintergrund hatte? Im Grunde glaube ich schon, dass die Menschen damals religiösen Hintergrund hatten, weil ihnen die Welt eben rätselhaft war, und sie daher auch religiöse Ideen entwickelt haben. Die Welt als Rätsel, die man versucht, durch Kunst zu enträtseln. Oder wenigstens als Rätsel darzustellen.

Die dreidimensionale Wirkung von Felsvorsprüngen wurde teilweise in Höhlenbilder einbezogen, und auch Nischen und Höhlendecken. Könnten da heutige Maler fast neidisch werden, über diese Möglichkeiten?

Warum sollen sie neidisch werden? Sie können doch selbst in den Keller gehen und malen, oder in die Zechen Höhlen, das muss kein Neid sein, aber die Menschen heute malen mehr für die Kunstszene selbst, für die Museen und für die Ausstellungen, und die finden nun mal nicht unter Tage statt. Während die Menschen offensichtlich früher ja keine Museen, keine Galerien betrieben haben, die haben die Kunst um ihrer selbst willen gemacht. Die Menschen heute neigen natürlich dazu, bei der Kunst auch gleichzeitig die Verwendung in den Museen und in Ausstellungen ins Auge zu fassen. Nicht wie früher, die Verwendung in Höhlen, und kirchlichen Gebäuden.

Ich denke, man könnte schon neidisch werden, auf diese ursprüngliche Form der Malerei, und auf dieses dreidimensionale, das körperliche, greifbare, und auf die Kunst um ihrer selbst willen.

Nö, da bin ich nicht neidisch, das ist bei mir auch so. Ich mache die Kunst um ihrer selbst willen, und um mein Leben darzustellen.  Im Dialog mit dem Leben mache ich meine Kunst. Nicht im Dialog mit Ausstellungen und Galerien. Die können, wenn sie wollen, kommen und mich ausstellen, aber ich male nicht deshalb. Es ist für mich ein Stück Leben, die Malerei, nicht anders als bei den Höhlenmalern.

Also Deine Motivation und Arbeitsweise sind womöglich ähnlich ursprünglich?

Ja, ich würde es so sehen, und ich mache es ja auch, ich mache ja auch Kunst ganz unabhängig, ob jemand kommt und sie haben will.

Ich würde sagen, dann bist Du in gewissen Weise auch zu beneiden.

Ha ha ha. Wenn Du willst, kannst Du mich beneiden. Ich beneide niemanden. Ich bin ganz gut bei mir aufgehoben, und beim Leben, und habe keine Zeit, andere Menschen zu beneiden.

Und die Felsvorsprünge fehlen Dir wahrscheinlich nicht so sehr, die man in Bilder einbeziehen könnte?

Nein, Felsvorsprünge sind ja auch nicht Teile meines Lebens, warum soll ich die in meine Malerei einbeziehen? Ich beziehe die Menschen in meine Malerei ein, und die Räume, in denen ich mich mit Menschen treffe. Wie Du weißt, das gegenwärtige Bild, was ich hier vor mir habe, ist ja auch eine Reaktion auf mein Leben, nämlich meine Freunde und Kollegen.

Stimmt, da erinnere ich mich auch an die Fotovorlage.

Mit dem Kollegen Gottfried Jäger z.B., der ist ja auch da drauf, ich habe ihn nicht portraitiert, aber er spielt in meinem Leben ja auch eine Rolle.

Gut, dass man ihn nicht erkennt. ;-)))

Nein, das würde ich auch nicht wollen. Da bin ich ja nicht so in meiner Kunst, dass ich direkt anknüpfen will an Personen, und sagen, guck mal da, da biste. Nee, so sehe ich das nicht, ich sehe die Wirklichkeit als Vorbild, für meine Malerei, aber nicht zum Abkupfern. Ich kupfere nicht die Wirklichkeit ab, sondern ich male aufgrund der Wirklichkeit, neue Bilder, eigene Bilder.

Das ist teilweise sehr viel interessanter, als wenn man die Personen genau erkennen würde.

Ich finde das auch. Und da spielt die Fotografie ja wie Du weißt bei mir auch als Skizzenbuch eine Rolle. Die gewissermaßen wie eine Skizze mir Anregung gibt für ein Bild, und noch ein Bild, und noch ein Bild.

Und wenn Du in oder bei Höhlen wohnen würdest, und es würden Tierherden vorbeiziehen, würdest Du wahrscheinlich auch Tierherden malen.

Das kann wohl sein, ja.

Ich denke, Du hast auch schonmal Tiere gemalt. Ich denke, Du hast sowohl Pferde gemalt, als auch Frösche.

Ja, natürlich, ich habe eine endlos sehr lange Kette von Fröschen mal gemalt, ein langgezogenes Bild.

Wenn ich reich wäre, würde ich es kaufen.

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