Radtouren

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Interview des vm2000.net mit Jörg Boström
Fotografien: Gernot Koch

 

Du hast in jungen Jahren gerne Fahrradtouren gemacht, wie in dem Beitrag Sommerfahrt mit Fred und Jörg von Helmut Grau beschrieben wart ihr damals geübte Radfahrer und habt regelmäßig zum Beispiel auch an Wochenenden Radtouren gemacht?

Ja sicher, immer wieder, das Fahrrad war sozusagen das Instrument, um etwas weiter als 5 Minuten zu Fuß zu gehen. Das Fahrrad war immer unser Begleiter.

D.h. ihr habt auch alltäglichen Leben öfters mal das Fahrrad genommen?

Sicherlich, zur Schule und zum Einkaufen, und überall war das Fahrrad unser Begleiter.

Könnte man sagen dass das Fahrrad für Jungs in Deinem Alter in der Nachkriegszeit das Hauptverkehrsmittel war?

Ja das war es auch. Ich meine, Autos hatten die wenigsten Leute deshalb war das Fahrrad eigentlich das Hauptinstrument. Oft auch für die Älteren, viele hatten ja auch kein Auto.

Stimmt damals hatten viele noch kein Auto, meine Eltern hatten anfangs auch noch kein Auto. Das Moped kam dann wohl erst später? Und auch Busse und S-Bahnen waren nicht unbedingt bei Euch sehr beliebt?

Doch, soweit S-Bahnen und so weiter in der Nähe waren, und die Anschlüsse funktionierten, wenn man nicht endlos laufen musste bis zur zum nächsten Anschluss dann konnte man es benutzen. Aber das Fahrrad war einfach für alltäglichen Kontakt ein wichtiges Instrument.

Das hat im Grunde Ähnlichkeit mit der Fahrradnutzung in Münster.

Das ist berühmt für seine Fahrräder, das weiß ich auch noch.

Genau, es ist dafür berühmt, und die Fahrräder werden auch für alle möglichen alltäglichen Erledigungen und Fahrten, die nicht gerade nur bis zum nächsten Bäcker gehen, dafür wird immer gerne das Fahrrad genommen.

Ja genau. Zum Einkaufen war es manchmal nicht so nützlich, weil man nicht so viel transportieren konnte. Aber sonst wurde das Fahrrad auch für kurze Besuchszeiten und so weiter immer wieder benutzt.

Zum einkaufen kann man ja auch teilweise Fahrradkörbe, Fahrradtaschen, oder auch Fahrradanhänger nehmen.

Ja, Anhänger weniger, aber es gab dann schon so Körbe und auch Rucksäcke, wo man die Einkaufssachen rein packen konnte.

Ihr hattet damals, wie man den Text entnehmen konnte, auch einige Übung im Reifen flicken und anderen kleinen Fahrradreparaturen?

Ja. Ich meine wer ein Auto hatte, da konnte ja nicht jeder aus der Familie das Auto nehmen, weil, der eine hat es schon in Betrieb, dann muss man eben ein Fahrrad nehmen. Es gab ja nicht fünf, sechs Autos in einer Familie. Sondern nur eins, aber fünf oder sechs Fahrräder.

Also auch später, als schon jede Familie ein Auto hatte, war immer noch das Fahrrad häufig in Gebrauch?

Das glaube ich schon, ja.

Es wird da auch Deine Pfadfinder Gruppe erwähnt, habt ihr auch mit den Pfadfindern manchmal Fahrradtouren gemacht?

Ja sicher. Ja ja, klar. Da kamen Autos ja gar nicht in Frage. Und wir haben auch Zeltfahrten gemacht mit Fahrrädern. Wir konnten auf den Fahrrädern ja Einiges an Gepäck unterbringen, und das war immer sehr schön. Außerdem ist es ja auch schöner als im Auto, durch die Landschaft mit dem Fahrrad zu fahren.

D.h. ihr seid mit den Pfadfindern mit mehreren Zelten hinten auf den Fahrrädern losgefahren?

Jaha.

Das klingt sportlich.
Nicht schlecht.

Ja, hat mir gut gefallen damals, die Fahrradtouren, wie wir das nannten.

Weißt Du noch wohin euch die geführt haben?

Ja, zum Beispiel zur Nordsee. An die Küste. Da habe ich auch noch Fotos, wo wir mit dem Fahrrad unterwegs sind, mit Helmut Grau zum Beispiel und Fred Grund, wir drei waren öfters zusammen mit dem Fahrrad unterwegs.

Stimmt, da gibt es ja auch den Artikel, da könnten wir verlinken. Da sieht man ja auch einige Fotos.

Ja. Und wenn wir damals, weil das Analoge ja handwerklich schwieriger war als heute die Digital Fotografie, haben wir nicht so viel fotografiert, Wie man das heute mit einer digitalen Kamera macht. Da kann man ja gnadenlos, das machst du ja auch, endlos fotografieren. Da hat man das Problem eher der Auswahl, das hatte man früher nicht so sehr.

Das ist leider wahr.

Wenn man mit Film fotografiert da hat man natürlich aufgepasst, dass man nicht für jedes Objekt gleich den ganzen Film voll fotografiert. Da musste man ja dauernd die Filme austauschen.

Deswegen wart ihr dann relativ sparsam mit dem Filmmaterial?

Auf jeden Fall im Vergleich zum digitalen Fotografieren heute.

Das wird auch irgendwo im Text erwähnt glaube ich, dass auf dem Film nur sechs Bilder waren.

Welchen Text meinst du denn?

Ich meine den Text Sommerfahrt mit Fred und Jörg, wo Helmut Grau einen längeren Text dazu geschrieben hat. Und anscheinend auch eine Kamera dabei hatte.

Ach so ja. Na klar.

Sommerfahrt mit Fred und Jörg
http://www.vm2000.net/7597/

Das Radfahren und das analoge Fotografieren passten dann damals gut zusammen, könnte man sagen? Weil es eine Zeit war, in der sowohl der Transport analog erfolgte, als auch das Fotografieren, und beides zwar mit Arbeit verbunden war, aber ansonsten gut funktionierte.

Heute fährt man eben Spazieren mit dem Auto, und fotografiert digital. Und damals mit dem Fahrrad und analog, das ist schon mehr Arbeit, aber da kommen ja auch besser kalkulierte Bilder dabei heraus.

Das ist wahr. Von Eurer Sommerfahrt gibt es anscheinend nur wenige Bilder, die nur einige Zwischenstationen zeigen.

Jaja, klar. Ich hab die Fotos ja von damals in allen möglichen Kisten, da muss ich erst suchen, wenn ich mich erinnern will. Ich habe ja ein Archiv, mit analogen Fotografien. Die digitalen hast Du ja alle im Computer.

Ja, aber über die Foto von damals freut man sich irgendwie mehr, wenn man welche aus der damaligen Zeit wiederfindet, die interessant sind.

Natürlich, ja klar. Ist ja was Besonderes, ne.

Ich lese hier gerade in dem Text von Hellmut Grau: “Dass ich so wenig fotografierte, lag außer an Geiz auch am Wetter. Mit meiner simplen Box, die nur eine Verschlusszeit von 1/25 Sek. und zwei Blenden hatte, brauchte ich grundsätzlich Sonne, und die machte sich rar.” Das waren natürlich wiederum Fotoprobleme, die man heute nicht mehr ganz so hat.

Ja, da musste man die Kamera irgendwo draufstellen, damit sie nicht verwackelt. Dann musste man eben lang fotografieren, eventuell 2 Sekunden oder sowas, in der Dämmerung, ne.

Hmhm, hätte man machen müssen, aber hier steht, dass seine Box nur eine Verschlusszeit von 1/25 Sekunde hatte, das müsste gerade noch so aus der Hand zu schaffen sein, eigentlich. D.h. er hatte eine Blende für schönes Wetter, und eine Blende für nicht ganz so schönes Wetter. Wobei das natürlich die Fotografie auch irgendwie vereinfacht. Also ich finde die Bilder aus der damaligen Zeit immer sehr interessant.

Ja, weil man da länger drüber nachdenkt, ne. Und nicht einfach so blind losknipst.

Das stimmt, blind losgeknipst habt Ihr da wohl eher weniger. Man sieht ja auch ein Gruppenbild, da haben sich alle zum Gruppenbild aufgestellt, wie in alten Zeiten, wo man sich für den Fotografen aufgestellt hat.
Nun wollte ich nochmal zum Thema Fahrräder zurückkehren, gab es in der Nachkriegszeit viele Fahrräder? Hatte jeder, den Du kanntest, damals ein Fahrrad?

Ja, sicher, Autos gab es ja so gut wie garnicht, viele waren ja im Krieg kaputtgegangen. Und da hatten wir Fahrräder. Die waren heil geblieben, die waren im Keller. Beim Bombardement sind sie oft heil geblieben, das Haus kaputt, aber die Farräder im Keller immer noch heil.

Tatsächlich? Ich hatte mich nämlich schon gefragt, wurden in der Nachkriegszeit sehr viele Fahrräder hergestellt, oder hatte man die noch?

Man hatte die noch. In der Nachkriegszeit war ja erstmal die Industrie kaputt, zerbombt. Und die Fahrräder waren noch aus der Friedenszeit vorher.

Die Fahrräder haben tatsächlich den Krieg überlebt, und man konnte auch trotz der nicht mehr ganz intakten Strassen noch relativ gut Radfahren?

Ja, auf jeden Fall musste man dann um die Löcher herumfahren, um die Bombenlöcher.

Gab es damals schon Fahrradhelme?

Ja, die gab es auch, ich habe aber keinen getragen, ich mochte das nicht.

Es wird auch berichtet, dass Du in Deiner Professorenzeit einmal mit dem Fahrrad aus Herford kamst, nach Bielefeld. Martin Deppner hat davon berichtet. http://archiv.vm2000.net/06/deppner.site/deppner.html Das ist ja schon ein sportlicher Anfahrtsweg, erinnerst Du Dich an diese Radtour?

Ja, klar.

Martin Deppner machte bei Dir eine Abschlussprüfung, Du bist dann rechzeitig zur Prüfung dort aufgetaucht. Das war aber zu der Zeit nicht Dein üblichen Transportmittel?

Doch, im Notfall, wenn ich kein Auto hatte, klar. Ich bin aus sportlichen Gründen auch gerne Fahrrad gefahren, um fit zu bleiben.

Martin Deppner macht sich in dem Text auch Gedanken um ästhetische Strukturen der Annäherung von Mensch, Technik und Kunst, so hat er es da formuliert. Hat das Radfahren demnach auch ein philosphische Komponente?

Weiß ich nicht.

D.h. Du hast Dir um die philosophische Komponente des Radfahrens bisher nicht allzuviele Gedanken gemacht.

Nee, bestimmt nicht. Ich bin sowieso nicht in dem Sinne Philosoph gewesen.

Naja, die Kunst hat ja auch immer einen Bezug zur Philosophie. Und insofern geht es in dem Text von Martin Deppner auch um ein Kunstwerk, die Schönen Radfahrerinnen von Leger.

Auf jeden Fall gibt es von Künstlern in einer gewissen Zeit auch Fahrradbilder.

Fallen Dir da bestimmte Künstler ein, die bekannte Fahrradbilder gemacht haben?

Ja und nein. Ich sehe Bilder vor mir, aber ich habe die Namen nicht so im Kopf. Aber es gab damals wirklich Fahrradbilder, eine ganze Reihe . Weil praktisch die meisten Leute, die einen besuchten, ein Fahrrad in der Hand hatten, wenn sie an der Tür stehen und klingeln.

Dadurch kam es zu relativ vielen Fahrradbildern auch in der Fotografie und in der Kunst?

Genau, genau. Also nicht in dem Sinne wie Du die Fahrräder fotografierst, ohne Menschen, sondern die Menschen hatten immer irgendwie, wenn sie irgendwo ankamen, ein Fahrrad an der Hand.

D.h. es gibt ziemlich viele Fotos mit Menschen mit Fahrrad. Und die findest Du auch dann interessanter oder typischer als Bilder, auf denen nur Fahrräder zu sehen sind?

Ja, auf jeden Fall interessanter, die Fahrräder nur die sagen ja nicht dass sie Menschen transportieren, das sieht man ja nur, wenn ein Mensch dasteht und ein Fahrrad bei sich hat.

Das stimmt, die Fahrräder lassn zwar den Transport von Menschen erahnen, aber eigentlich könnte man sie auch, wenn man sie so sieht, könnte man sie als z.B. seltsame mechanische Tiere oder Roboter oder so etwas betrachten.

Ja eben, gerade wie Du sie fotografierst, da weiss man ja garnicht, wozu die da sind, wenn man es nicht selber schon erlebt hat.

Nicht zwangsläufig, das stimmt, wenn man noch nie ein Fahrrad gesehen hätte, könnte man sich auch fragen, was sind das für Geräte.

Das ist so als wenn man früher Pferde fotografiert hat. Wenn man die auf dem Acker fotografiert, dann sieht man ja nicht, dass di einen Sattel haben, und Menschen tragen. Erst wenn sie mit Sattel fotografiert werden, oder mit Menschen. So ähnlich ist das mit Fahrrädern.

Ah, stimmt. Bei Pferden würde ich ja sagen, dass das zwei verschiedene Kategorien von Bildern sind, einmal die Reiterbilder, und dann die Bilder, auf denen das Pferd als Tier zu sehen ist.

Ja, stimmt. Aber die Pferde alleine kann man auch so sehen wie Deine Fahrräder alleine.

Ja, d.h. man kann die Pferde auf der Weide auch sehen als…

Als Transportmittel.

Als Transportmittel, aber man kann sie auch sehen als…

Lebewesen.

Lebewesen einer bestimmten Art, die garnicht so viel mit den Menschen zu tun haben muss. Wobei allerdings die meisten heutigen Pferde ja doch irgendwie auch in ihrem Aussehen dadurch beinflusst sind, dass sie Menschen tragen.

Man hat die Pferde ja fast vergessen als wild lebend Tiere. Weil, die sind irgendwie überall mit Menschen verbunden. Menschen lassen heute die Pferde ja nicht mehr frei laufen. Selbst die Kühe ja nicht. Wild lebende Rinder, Kühe, gab es früher mal, aber lange nicht mehr.

Es gibt glaube ich Überlegungen, Wisente auszuwildern, die aber bisher relativ kleine Projekte sind.

Auf jeden Fall ist das ein interessantes Projekt, die Pferde und die Kühe wieder zu wilden Tieren zu machen. Ohne Menschen.

Ich glaube es gibt da in Holland ein Gebiet, Oostvaardersplassen, wo die Tiere die meiste Zeit sich selbt überlassen sind, und nur in harten Wintern zugefüttert wird.

Kann sein, dass man die gewissermassen wie früher in Herden in der Wildnis lässt. Aber Wildnis gibt es ja kaum noch.

Das ist ein Nationalpark, ein Naturschutzgebiet.

Ja genau. Wo man das gewissermassen rekonstruiert, wie das früher war.

Das ist wohl ein Versuch, die Landschaft zu rekonstruieren, wie sie gewesen sein muss, bevor sie von den Menschen so intensiv genutzt wurde.

Genau, als die Landschaft und die Tiere sich selbst überlassen waren.

Nun sind wir etwas vom Thema abgekommen.

 

 

 

 

——– Original-Nachricht ——–
Betreff: Es geht weiter im Text: CD-Gym
Datum: Fri, 25 Jan 2019 18:10:45 +0100
Von: Jürgen Bennert

 

Grüß Gott Frau Bültmann, Hallo Klassenkameraden,

die Fahrradgeschichte am CD-Gym  (Carl-Duisberg-Gymnasium, Leverkusen, Anm.d.Red.) spielt in den fünfziger Jahren. Wir haben 1956 Abi gemacht.

Die Räder stammten großenteils noch aus der Vorkriegszeit und waren wertvoll im doppelten Sinn: es gab wenige und für ein neues Rad zum Beispiel von der Firma Rabeneik mußte ein Schüler während der ganzen Sommerferien arbeiten, um es sich kaufen zu können.

Siegfried Grundwald, unser Klassensprecher, hatte das gemacht und wir haben ihn glühend um sein Rad beneidet. Schlösser gab es wohl, aber nicht so stabile wie heute. Die Räder wurden wenn, dann mit Schloß geklaut.

Die “Fahrradfrau”, die da aufpasste, war schon älter und so lange es Schulspeisung gab – süße Maismehl-Suppe –   bis zur Währungsreform 1949, nahm sie immer zwei Wehrmachts-Kochgeschirre voll mit nach Hause für ihren Mann und für sich selbst.

Fotos habe ich davon nicht. Vor der Währungsreform gab es keine Filme und danach waren Bilder teuer, bis der ein oder andere, zum Beispiel Gernot Koch, sich ein Fotolabor im Keller einrichteten.

Zum Glück ist dieser grässliche Backsteinbau aus den Zwanzigern abgerissen worden. Es war eine hässliche Lernburg. Ich habe mich darin nie wohl gefühlt.

Grüsse aus dem verschneiten Chiemgau!

Euer Jürgen Bennert

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